Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
etwas zu sagen.«
    »Etwas, das Sie aber als sein Anwalt wissen müssten«, gab Häberle zurück. »Jedenfalls werden wir versuchen, die Herkunft des Anrufs ausfindig zu machen.«
    Manuel schrieb Tag und Uhrzeit auf einen Zettel und schob ihn Häberle über die Tischplatte. »Man kann das doch sicher feststellen.«
    »Ich geh mal davon aus. Nur wenn der Anruf aus einer Telefonzelle gekommen ist, sind wir schnell mit unserem Latein am Ende.«
    Manuel gab sich optimistisch. »Jedenfalls beweist der Anruf doch zum ersten Mal ganz konkret, dass Osteuropäer in die Sache verstrickt sind. Bisher geistern die Schwarzarbeiter aus dem Osten nur als Phantom durch die Akten.«
    »Spielen Sies nochmal vor«, forderte ihn Häberle auf. Manuel holte erneut das Gerät hervor und drückte einige Tasten. Wieder war die Frauenstimme zu hören.
    »Was meinen Sie …«, sinnierte Häberle noch ehe die Wiedergabe beendet war, »… ob der Akzent polnisch klingt?«
    »Polnisch?«
    »Fällt Ihnen dazu nichts ein?« Häberle wunderte sich, dass der Anwalt nicht kapierte. Hatte er die Akten doch nicht genau genug gelesen?
     
    Palmesel. Wie hatten sie da immer darüber gelacht. Vorbei. Der Morgen graute an diesem Palmsonntag hinter den Milchglasscheiben. Endlich war die Nacht vorbei. Ketschmar hatte Rückenschmerzen und musste dringend auf die Toilette. Er quälte sich heraus, stolperte über die Schuhe des Tankstellenräubers, der im oberen Etagenbett lag, und tastete sich in dem Dämmerlicht zur Kloschüssel. Dass sie nur mit einem Vorhang als Sichtschutz versehen war, empfand Ketschmar jedes Mal als menschenunwürdig. Auch in den fünf Monaten, die sie ihn hier bereits festhielten, hatte er sich daran nicht gewöhnen können. Gerüche und Geräusche waren in der ganzen Zelle zu vernehmen.
    »Musst du eigentlich ständig pissen?«, keifte der Räuber von oben. »Da kann man kein Auge zutun.«
    Auch der Drogen-Bubi aus dem anderen Etagenbett war wach geworden. »Er hat Schiss. Das wird noch schlimmer je näher es ans Urteil geht. Bin mal gespannt, was er macht, wenn sie ihn nach dem Urteil rüberbringen.«
    »Flennen wird er«, höhnte der Räuber, während Ketschmar seine Blase entleerte, »flennen, wie alle, denen sie eins rüberbraten.«
    Ketschmar sagte nichts, betätigte die Spülung und zog den Vorhang wieder beiseite.
    »Wenn der Osterhase durchs Haus hoppelt, hat dich der Dampfhammer getroffen«, begleitete ihn die Stimme des Räubers zu seiner unteren Liege zurück. Er zwängte sich zwischen Wand und Bettgestell wieder unter die modrig riechende Decke. Schlafen würde er nicht mehr können. Noch drei Tage Ungewissheit. Dann war es endlich vorbei. Egal, wie – Hauptsache, vorbei. Oder doch nicht? Nein, natürlich nicht. Nicht egal wie. Sondern so, wie Manuel es in seinen aufmunternden Gesprächen dargestellt hatte. Mein Gott, das war Manuels Job, das hatte er gelernt. Vielleicht war das alles nur ein zur Schau getragener Optimismus. Was hätte Manuel auch anderes tun sollen? Ihm sagen, dass die Beweise und Indizien erdrückend seien? Dass die logische Schlussfolgerung eine Verurteilung war? Und dass er notfalls, das hatte Manuel schon erklärt, in Revision gehen werde. Ketschmar mochte sich nicht ausdenken, wie lange sie ihn dann wieder quälen würden. Mindestens drei, vier Monate würde der Bundesgerichtshof brauchen
    – und falls er die Revision zuließ, was höchst selten vorkam, dann ging alles noch einmal von vorne los. Ketschmar kämpfte mit den Tränen. Er hatte sich für diesen Sonntag vorgenommen, sein ›letztes Wort‹ zu schreiben. Dies, das wusste er von Manuel, stand dem Angeklagten nach den Plädoyers zu. Er wollte es nutzen, um seine Situation ausführlich darzustellen.
    Manuel hatte allerdings geraten, sich kurz zu fassen, um die Richter und Schöffen nicht allzu sehr zu strapazieren. Die hatten ohnehin schon durchblicken lassen, dass sie seine persönlichen Probleme mit Hartz IV nicht gerade für entscheidend hielten. Die Juristen, so befürchtete Ketschmar, klopften nacheinander die hieb- und stichfesten Beweismittel ab – und zogen daraus ihre Schlussfolgerungen. Fertig. Ketschmar spürte, dass er schlechte Karten hatte. Ganz schlechte.
    Dass er seinen sonntäglichen Plan noch einmal würde ändern müssen, konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen. Denn Manuel setzte alles daran, seinen Mandanten sprechen zu dürfen.
     
    »Fehlanzeige«, kommentierte Linkohr am Montagmorgen die Nachforschungen bei der

Weitere Kostenlose Bücher