Beweislast
der Front zu sein, sich in Kleinarbeit zu verbeißen und den verantwortlichen Kollegen Spuren und Beweise zu liefern.
Häberle schätzte dies ganz besonders, galt er selbst doch auch als Praktiker, als einer, der die Ärmel aufkrempelte und statt lang zu diskutieren, lieber handelte. Nichts hasste er mehr als endloses Schwätzen, vor allem aber, wenn ›Großschwätzer von auswärts‹, wie er sich auszudrücken pflegte, den schaffigen Schwaben zeigen wollten, wo es lang ging. »Wir können alles außer Hochdeutsch«, sagte er dann, um mit einem Augenzwinkern hinzuzufügen: »Das ist allemal besser, als nichts zu können außer Hochdeutsch – doch von der Sorte gibt es viele.«
Häberle ließ seinen fülligen Körper auf einen Schreibtischstuhl sinken. So, wie er da saß, dachte Specki, musste er von manchem Gegner schon unterschätzt worden sein. Denn wenns drauf ankam, dann entwickelte dieser Hauptkommissar ungeahnte sportliche Fähigkeiten, konnte einen gewaltigen Spurt hinlegen und es mit manchem jungen Kerl aufnehmen. Immerhin war Häberle seit Jahr und Tag Judoka-Trainer. Specki, deutlich schlanker, aber sportlich bei weitem nicht so aktiv, zollte seinem Kollegen insgeheim großen Respekt ob dessen Fitness.
»Der Bruhn kommt auch«, war eine der ersten Bemerkungen, die Häberle machte. »Er hat einen seiner Anfälle gekriegt, weil man ihn nicht gleich gestern Abend verständigt hat.«
»Klar«, erwiderte Specki und verzog das Gesicht, »den hätt ich hören wollen, wenn er wegen einer Unfallflucht am Freitagabend gerufen worden wäre.«
Häberle grinste. »Er weiß es halt immer besser – vor allem hinterher.«
»Also, pass auf«, wandte sich Specki seinen Akten zu, die er inzwischen sortiert hatte, »diese Drohbriefe da …« Er deutete auf die beiden Klarsichthüllen mit den Kopien. »Die haben dem Grauer, so wie es aussieht, doch einiges Kopfzerbrechen bereitet. Ermittlungsmäßig ist aber nicht allzu viel gelaufen.«
»Naja, so Irre, die Drohbriefe schreiben, gibts ja immer mal wieder. Aber jetzt kommt diesen Dingern natürlich eine ganz andere Bedeutung zu.«
»Seh ich auch so. Wir müssen Grauers Chef ausfindig machen. Der Name steht hier irgendwo. Und dann sollten wir diese Höfe da draußen abklappern. Ich hab schon mal auf der Wanderkarte nachgeschaut …« – Specki fingerte sie aus einem Stapel Papiere hervor und breitete sie auf der Tischplatte aus – »… man sagt ja, es sei ein kleines Allgäu da draußen. Viele Höfe, überall. Hier auf der einen Seite das Ottenbacher Tal – und hier dazwischen der Höhenzug, den man das ›Rehgebirge‹ nennt. Wenn du genau hinschaust, siehst du überall Hofstellen.«
Häberle stand auf und kam um den Schreibtisch herum.
»Als Wanderer und Radfahrer kenn ich mich da aus. Die Höfe haben interessante Namen.« Er fuhr mit dem Zeigefinger über die entsprechende Stelle. »›Böppeleshof‹ heißt einer. Oder ›Hasenhof‹ und ›Täscherhof‹. Und dort sind unsere Freunde …« Er grinste. »Der ›Eulengreuthof‹ – es gibt, glaub ich, keinen Kollegen, der nicht während seiner Laufbahn nicht schon mal dort gewesen wär …«
Specki nickte. »Und dort …« Auch er deutete jetzt auf eine Stelle der Landkarte, »… dort sitzt der andere, der Steinberg-Schorsch.«
In diesem Augenblick wurde ruckartig die Tür aufgerissen. Die beiden Männer drehten sich erschrocken um. Bruhn stand vor ihnen. Sein Gesicht versteinert, energisch
– der kahle Kopf, den nur noch ein schmaler Haarkranz umgab, glänzte schweißnass. »Die Lage?« Die Frage klang wie ein Befehl. Er trat zwischen die beiden Männer und starrte unwirsch auf die Wanderkarte des Schwäbischen Albvereins. »Die Herren suchen noch den Tatort …«, höhnte er, »was ist in die Wege geleitet?«
Specki und Häberle schauten sich vielsagend an.
»Wir checken ab, welche Höfe wir da draußen unter die Lupe nehmen müssen«, erklärte Häberle gelassen.
»Höfe«, wetterte Bruhn, »was heißt da Höfe? Das Gelände wird durchsucht. Ruckzuck. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei muss her.«
»Bussard hats schon abgeflogen«, wandte Specki vorsichtig ein, »wir haben das Auto von Grauer gefunden.«
Bruhn starrte ihn an, als wolle er ihm ins Gesicht springen. »Und warum erfahr ich das jetzt erst?«
Häberle versuchte, die Lage zu entspannen und seinen Kollegen in Schutz zu nehmen: »Weil die Meldung erst vorhin gekommen ist …« Er zwinkerte Specki zu, »… nehm ich an.«
Sein
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