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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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konnte das nur die Polizei sein. Vermutlich suchten sie Spuren. Natürlich, das würden sie tun. Er schwieg, während sie durch das weite Waldgebiet nebeneinanderher gingen – hinüber zur Hürbelsbacher Kapelle, dem einzigen Gebäude, das noch an einen längst verschwundenen Ort erinnerte. Erst kürzlich hatten Unbekannte die Außenmauern mit üblen Parolen beschmiert. Ketschmar war darüber erbost gewesen. Er hatte sich bisher in solchen Momenten ein hartes Durchgreifen von Polizei und Justiz gewünscht. Doch je mehr ihn dieser Staat mit seinen Behörden drangsalierte, desto mehr schien er sich innerlich von ihm zu entfernen. Obwohl er nach wie vor ein energisches Einschreiten gegen jegliche Art von Vandalismus und Gewalt befürwortete, so fühlte er dennoch, wie er nicht mehr mit allem konform gehen konnte, was dieser Staat seinen Bürgern antat. Was dieser ihm antat, um es genau zu nehmen.
    Als sich hinter den kahlen Bäumen die kleine Kirche abzuzeichnen begann, brach Monika das minutenlange Schweigen. »Vielleicht sollen wir mal in Ruhe über alles reden.«
    Er legte seinen rechten Arm um ihre Schulter und dachte nach. »Was soll es schon noch zu reden geben?« Es klang nach Resignation. »Alles dreht sich im Kreis. Alles. Verstehst du, ich hab die Schnauze voll. Mich kotzt es an, um es deutlich zu sagen. Am liebsten würd ich den ganzen Bettel hier verkaufen und abhauen. Was soll ich noch in diesem Scheißstaat, der mich zwar ein ganzes Leben lang abgezockt hat, mich jetzt aber, wo ich auf ihn angewiesen wäre, jämmerlich im Stich lässt?«
    Es tat ihm schon wieder leid, dass er Monika so heftig mit seinen Problemen konfrontierte. Er hätte es gar nicht aussprechen müssen, denn sie hatte ohnehin schon seit Monaten unter seiner schlechten Laune zu leiden.
    »Du bist nicht der Einzige, dem es in diesem Lande so geht«, entgegnete sie ruhig, obwohl sie dies auch schon oft gesagt hatte.
    »Soll mich das trösten?«, kam es gereizt zurück. »Schön, dass ich nicht alleine bin«, höhnte er, »wie toll. Das tröstet. Die große Gerechtigkeit. Alle werden gleich gemacht! Das nennt sich sozialer Fortschritt in diesem Land. Soll ich dir was sagen? Mich kotzt das an.«
    Sie traten aus dem Wald heraus und sahen vor sich die Kirche, um die herum sich einige alte Bäume gruppierten.
    Monika wechselte abrupt das Thema. »Du glaubst aber noch an Gott?«
    Er war von dieser Frage überrascht. Sie gingen noch ein paar Schritte auf die Kirche zu, bis er eine Antwort fand: »Diese Frage stellt sich nicht erst, seit es mir persönlich dreckig geht. Sie hat schon ganze Völker und Nationen beschäftigt.« Er blickte zu dem kleinen Türmchen hinauf, als erwarte er von dort Hilfe. »Warum hat dieser Gott den Hitler zugelassen? Ich glaub, da hat noch keiner eine richtige Antwort gefunden.« Ketschmar drückte seine Frau an sich. »Oder wenn ein lieber Mensch stirbt, plötzlich, unerwartet, dann fällt es schwer, einen Sinn, eine göttliche Ordnung dahinter zu finden.« Er überlegte. »Oder wenn ein Verbrechen geschehen ist.«
    Monika blieb stehen und schaute ihm in die Augen. »Wie da drüben?« Sie deutete dorthin, wo das Seitental zu den Höfen abzweigte.
    »Ja, wie dort drüben. Wenn zwei Menschen ins Verderben gestürzt werden. Einer stirbt – und der andere hat sein Leben auch verspielt.« Er atmete schwer. »Und doch war der Täter für einen Moment davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Für einen Moment jedenfalls.«
    Monika stellte sich ihm in den Weg, fasste ihn an der Schulter und sah ihm fest in die Augen. »Du hast Verständnis für den, der das getan hat – stimmts? Sags ehrlich!«
    Er schluckte. »Zu sagen, es täte mir leid, wär gelogen. Ich hab diesen Grauer gekannt.«
    »Aber an Gott glaubst du trotzdem?« Es klang zweifelnd. »Hat er nicht gesagt, man soll seine Feinde lieben?«
    »So ähnlich wohl, ja. Aber wenn wir unseren Feinden nur Verständnis entgegenbringen und sie tun lassen, was sie wollen, werden sie irgendwann die Oberhand gewinnen.« Er legte wieder den rechten Arm um ihre Schulter und zog sie mit. »Und dann wird das Böse siegen.«
    »Die Frage ist nur, wer entscheidet, wer böse ist und wer nicht«, gab Monika zu bedenken. »Es kommt doch auch in diesem Fall auf die Sichtweise an, oder?«
    Natürlich gab es einen Gott. An dieser Überzeugung hatten auch all die Widrigkeiten nichts geändert, die ihm von kirchlicher Seite in seinem Leben begegnet waren. Das hatten ja nur Menschen getan

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