Beweislast
»und einiges könnte darauf hindeuten, dass wirs mit einer Tat in der Arbeitslosenszene zu tun haben.« Bruhn sah ihn zweifelnd an und verbreitete Ungeduld. Ihm ging es nie schnell genug. Er hasste deshalb Häberles gespielte Behäbigkeit. »Und?«, drängte er auf Eile.
»Das Opfer war Arbeitsvermittler. Die Tat ereignete sich an einer Baustelle–und dort hat der Bauleiter schon mal Kontakt zu diesem Arbeitsvermittler gehabt. Der wiederum hatte ein seltsames Hobby – und fotografierte Baustellen.«
Bruhn runzelte die hohe Stirn bis zur blanken Glatze. »Motiv?«
Häberle zuckte mit den Schultern. »Wenn wir dies wüssten, wären wir dem Täter ein Stück weit auf der Spur.« Die zehn anderen Kriminalisten verfolgten den Dialog gespannt und waren froh, nichts dazu beitragen zu müssen. Aber Bruhn würde sie ohnehin nicht direkt ansprechen. Untere Dienstränge spielten bei ihm keine Rolle.
»Das Arbeitsamt«, griff Bruhn Häberles Erläuterungen auf, »steht oftmals im Kreuzfeuer der Kritik. Wir sollten vorläufig zurückhaltend damit umgehen.«
Aha, dachte Häberle. Bloß kein Aufsehen, bloß keine Institution angreifen, die auch nur im Entferntesten die Politiker nervös machen könnte.
»Die Agentur für Arbeit«, erwiderte er und benutzte dabei bewusst den neuen Namen des Arbeitsamts, um Bruhn äußerste Korrektheit zu demonstrieren, »ich weiß, sie genießt nicht gerade großes Ansehen in der Bevölkerung. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir so vorgehen werden wie immer.«
Bruhn winkte verärgert ab. »Sie sollten bei allem, was Sie tun, nicht die spezielle Situation in diesem Tal da draußen aus den Augen verlieren. Vielleicht hat der Tote was mit diesen Höfen zu tun gehabt – mit dem Eulengreuthof oder wie das heißt.«
»Die schlagen sich höchstens gegenseitig tot«, entgegnete Häberle und fragte vorsichtig nach: »Hatten Sie schon mal das Vergnügen – mit dem Eugen vom Eulengreuthof?«
Bruhn schüttelte abwehrend den Kopf. »Das Vergnügen brauch ich mir nicht zu gönnen.«
»Sollten Sie aber«, kam von irgendwoher eine vorwitzige Stimme.
Der Kripochef zuckte für einen Moment mit dem Kopf, rang offenbar mit sich, ob er dies als aufmüpfige Bemerkung werten und mit einer Notiz in die Personalakte rügen sollte. Dann aber entschied er, diesen Ort zu verlassen. Hinter ihm schmetterte die Tür ins Schloss. Irgendwann, so befürchtete Häberle, würde mal ein Türrahmen aus dem Mauerwerk fallen.
Einer der Kollegen bemerkte: »Er hat heut Nachmittag die Pressekonferenz leiten müssen – und keiner hat ihn fotografiert.«
Als Monika Ketschmar den Golf aus Ulm hinaussteuerte, spürte sie, dass sich ihr Mann übers Wochenende nicht hatte ablenken können. Ganz im Gegenteil. Nach dem Gespräch mit Schwiegersohn Manuel schien er noch viel tiefer in die Depression versunken zu sein. »Weißt du«, begann sie langsam, als sie in der Dunkelheit die Albhochfläche erreichten und es zu regnen begann, »ich glaub, du machst dir viel zu viele Gedanken. Natürlich wird dich die Polizei fragen, was du gesehen hast. Sie werden herausfinden, dass du da oben warst – am Freitagabend.«
Das hatte Manuel auch gesagt. Logisch, wenn auf dieser Straße jemand umgebracht oder überfahren wurde, dann würden sie systematisch nach Zeugen suchen. Längst waren sie hinter ihm her, da bestand nicht der geringste Zweifel. Sie brauchten ja nur beim Steinberghof zu fragen, wer am Freitagabend da gewesen war.
»Egal, ob das ein Unfall war oder ob tatsächlich ein Verbrechen – sie werdens mir in die Schuhe schieben.« Seine Stimme klang schwach und ängstlich.
Monika wusste, dass es jetzt keinen Sinn machen würde, ihn zu einer freiwilligen Zeugenaussage zu bewegen. »So ganz versteh ich deine Angst nicht«, kommentierte sie sein Verhalten, während der Golf die Autobahn A 8 überquerte.
»Vielleicht bin ich auch nur mit den Nerven fertig. Ich hab halt viel zu viele negative Erfahrungen mit diesem Staat gemacht. Ich werd auf jeden Fall morgen die Stoßstange richten lassen.«
Monika drehte den Kopf für einen Augenblick zu ihm herüber. »Sag mal –was hast du eigentlich? Du willst doch nicht im Ernst Geld für diesen Bagatellschaden ausgeben?«
Er lehnte sich zurück. »Doch, das will ich. Hab für morgen früh bereits einen Termin in der Werkstatt.«
»Du hast gestern schon einen Termin vereinbart?« Monika war hörbar schockiert.
»Ja«, sagte er leise, »ich will nicht ständig an diese Sache
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