Bewusstlos
er sich in den Hof, sah in den Mond und trank langsam, aber stetig, bis die Flasche leer war.
Allmählich spürte er den Alkohol wieder in seinem Kopf. Das war in Ordnung, so würde er gut schlafen können und sich nicht mehr von einem blöden Käuzchen wecken lassen.
Die Nacht war wunderbar warm. Wenn er seine Eltern ausblendete, war es hier durchaus auszuhalten. Das Einzige, was ihm fehlte, war eine Frau.
Dunkel erinnerte er sich daran, dass am Abend zuvor Paola gekommen war. Mit einer völlig ramponierten Fresse.
Er kicherte.
Paola.
Sie schlief wahrhaftig hier im Castelletto. Besser ging es ja gar nicht.
Er glaubte sich auch noch daran zu erinnern, in welchem Appartement seine Mutter Paola untergebracht hatte. Nummer vier. Etwas zurückversetzt, direkt neben dem Weinkeller.
Warum sollte er sie nicht überraschen? Sich zu ihr legen? Es würde ihr bestimmt gefallen. Wenn sie es mit seinem Vater trieb, trieb sie es mit jedem, und er war dreißig Jahre jünger als sein Vater und hatte sicher einiges mehr zu bieten.
Die Idee machte ihn ganz hektisch und euphorisch, und schließlich wagte er es.
Er klopfte nicht und rief auch nicht. Er drückte so leise wie möglich die Klinke hinunter und konnte es nicht fassen: Die Tür ging auf.
Und in diesem Moment dämmerte es ihm, dass das, was er hier tat, ganz und gar nicht normal und auch nicht in Ordnung war, aber er verdrängte den Gedanken und alle Bedenken sofort wieder.
Daher drückte er ihr automatisch den Mund zu, als er sich auf sie legte und sie schreien wollte und augenblicklich zu kämpfen begann.
Sie trug nur ein T-Shirt. Ansonsten war sie nackt.
Aber das, was er jetzt fühlte, war nicht Lust oder Geilheit, sondern pure Aggression. Er tobte, riss an ihren Haaren und ihren Brüsten und wollte in sie hineinstoßen, bis sie das ganze Castelletto zusammenschrie – es war ihm egal.
Aber es ging nicht. Er war zu betrunken.
Seine Wut steigerte sich, vor allem, da er in ihr den Grund für sein Versagen sah und sie sich wehrte wie eine Wildkatze in der Falle, aber sie konnte sich unter ihm nicht befreien.
In ihrer Verzweiflung biss sie ihn in die linke Hand, die ihren Kopf ins Kissen gedrückt hatte. Sie biss mit aller Kraft, obwohl sie sich scheute und ekelte, und als sie spürte, dass ihre Zähne tief in sein Fleisch drangen, hielt sie fest, versuchte den Druck noch zu erhöhen. Es gelang ihr sogar, den Kopf zu schütteln wie ein Hund, der sich in seine Beute verbissen hat.
Raffael jaulte wie verwundetes Wild.
Paolas Widerstand wurde weniger, alle Kraft, zu der sie fähig war, legte sie in ihren Kiefer.
Von Paola unbemerkt tastete Raffael mit der rechten Hand nach seinem Messer, das er immer in der Hosentasche hatte, ließ es blitzschnell vorschnellen und stach zu.
In diesem Moment ließ Paola los.
Ihr Blick zeigte nacktes Entsetzen und Todesangst.
Seine Aggression ebbte nicht ab, im Gegenteil: Paola war schuld, dass seine Männlichkeit versagt hatte, sie hatte ihn gebissen, und so stach er in seiner grenzenlosen Wut immer und immer wieder auf sie ein.
Als sie sich nach zehn oder zwanzig Messerstichen noch immer bewegte, schnitt er ihr die Kehle durch.
Um endlich Frieden zu finden.
47
»Paola!«
Christine klopfte ein paarmal – nichts rührte sich.
Sie klopfte heftiger und rief noch lauter: »Paola? Bis du wach?« Aber im Zimmer blieb alles still.
»Geht’s dir nicht gut? Brauchst du Hilfe? Paola!«
Keine Reaktion, kein Laut.
Sie stand einen Moment unschlüssig, dann drückte sie die Klinke hinunter.
Die Tür war nicht abgeschlossen, und Christine rief noch einmal: »Paola, permesso«, während sie öffnete.
Das Bild, das sich Christine in diesem Moment bot, war so unwirklich, dass sie überhaupt nicht begriff, was sie sah. Sie war noch nicht einmal erschrocken, weil sie felsenfest davon überzeugt war, dass ihre Fantasie ihr einen bösen Streich spielte.
So etwas gab es einfach nicht.
So etwas passierte nicht in der Realität. Nicht hier in der Toskana, nicht an einem warmen, sonnigen Sommertag, wenn die Grillen zirpten und der Jasmin duftete.
Paola lag auf dem Rücken. Sie trug nur ein T-Shirt, von der Taille abwärts war sie nackt. Es war nicht mehr zu erkennen, welche Farbe das Hemd ursprünglich gehabt hatte, denn es war blutdurchtränkt. Ebenso wie das Bett, auf dem sie lag.
Ihre Augen waren weit aufgerissen, und in ihnen stand das Entsetzen, das sie in ihren letzten Minuten oder Sekunden verspürt haben musste.
Aber das
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