Bezaubernde Spionin
längst überholte Tradition zu gründen oder sich vor diesen renitenten Clansleuten zu rechtfertigen, jedenfalls im Nachhinein. Denn es würde bedeuten, dass er von Anfang an im Unrecht gewesen wäre. Und damit würde er letztendlich dem Engländer recht geben. Und William Douglas’ Position nur stärken«, mischte sich Sir Archibald ein.
»Ganz richtig«, bestätigte Rupert. Er sprach das erste Mal, seit die Männer die Gemächer der Königin verlassen hatten und sich auf den Weg in den Rittersaal des königlichen Schlosses von Perth gemacht hatten. »Allerdings verstehe ich nicht, wieso die Königin glaubt, dass dieser Stein ihr etwas gegen die aufrührerischen Clans nützt, wenn von vornherein klar ist, dass ihr Gemahl auf keinen Fall einwilligen wird, sich noch einmal darauf krönen zu lassen, nur um den Clans zu Willen zu sein.« Er schüttelte den Kopf. »Und Aylinn … ich meine, offenbar hat sie sich mit dem Los der Herzogin von Albany abgefunden. Obwohl sie zugegeben hat, dass sie einen Fehler gemacht hat, als sie sie nach England entsandte.«
Die drei Männer marschierten zügig um eine Ecke des Ganges und näherten sich einer Passage, die zu der Treppe führte, von der aus sie den Rittersaal erreichen konnten, in dem sie eine kurze Mahlzeit zu sich nehmen wollten.
Rupert blieb stehen und ballte die Hände. »Es kann doch nicht sein, dass die Königin Lady Aylinn zuerst in eine solch gefährliche Situation schickt und sich dann einfach von ihr abwendet, wenn sie in Gefahr gerät. Der Stein von Scone ist sicherlich eine Möglichkeit, der rebellischen Clans Herr zu werden, aber …« Er schlug vor Wut mit der Faust auf einen Fels. »Ich verstehe einfach nicht, wieso ihr das Schicksal von Lady Aylinn so gleichgültig …«
»Das dürfte ganz einfach zu erklären sein, verehrter Sir Rupert.«
Die Männer fuhren beim Klang der weiblichen Stimme erschreckt herum.
Sie hatten nicht bemerkt, dass sie nicht mehr allein in dem Gang waren. Sir Archibald unterdrückte eine bissige Bemerkung, grüßte die Frau jedoch mit einem knappen Nicken, während Buffon vielsagend die Brauen hob und Lady Georgina Harrington ungeniert musterte.
Wie immer war die englische Gesandte makellos gekleidet, diesmal mit einem dunkelblauen Gewand aus einem Stoff, der sich eng an ihren Körper schmiegte und ihre weiblichen Formen betonte. Er war an den Beinen, den Hüften und am Dekolleté durchbrochen und von einer glänzenden und fast fleischfarbenen Seide unterlegt, was die erotische Wirkung des Kleides noch betonte, weil sie auf den ersten Blick wie Haut wirkte.
Nur die leicht geröteten Lippen der Lady und ihr etwas unordentliches Haar passten nicht so ganz in das makellose Bild. Sie machte fast den Eindruck, als wäre sie eben erst aufgewacht und hätte sich in aller Hast angekleidet. Und es ging auch der unverkennbare Geruch von – Stroh und Pferdemist von ihr aus.
Sie schien sich jedoch von Buffons ungenierter Musterung ebenso wenig beeindrucken zu lassen wie von Sir Archibalds offenkundig missbilligendem Blick. Sie hatte nur Augen für Sir Rupert, der jetzt auf sie zutrat.
»Oh, Lady Harrington«, sagte er. »Wir haben Euch nicht kommen hören.« Er verneigte sich. »Aber da Ihr ja so gut informiert zu sein scheint, wüsste ich schon gerne, wie Eure Erklärung lautet«, fuhr er fort. »Und woher Ihr überhaupt von unserer Unterredung wisst.«
Sir Archibald räusperte sich vernehmlich. »Ich glaube kaum, dass es einer englischen Gesandten ansteht, die vertraulichen Meinungen unserer Königin zu kommentieren!«, erklärte er scharf. »Oder sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.«
»Vertraulich?« Lady Georgina lachte leise. »Verzeiht, verehrter Lordkanzler, »aber Ihr wisst doch sicherlich ebenso gut wie ich, dass nichts, was in den Audienzsälen oder Gemächern von Königinnen oder Königen gesprochen wird, jemals wirklich geheim bleibt.« Sie warf dem Lordkanzler einen flüchtigen Seitenblick zu, bevor sie Sir Rupert wieder ansah. »Und ich weiß nichts von Eurer Unterredung mit Ihrer Majestät, falls Euch das tröstet. Aber ich habe durchaus meine Quellen, und danach zu urteilen …« Sie unterbrach sich und musterte Sir Rupert von oben bis unten auf eine Art und Weise, die für eine Frau mehr als provozierend war. Sie war geradezu unschicklich, und Sir Archibald kommentierte diese ungenierte Musterung mit einem missbilligenden Schnaufen. Von dem sich Lady Harrington natürlich nicht beeindrucken ließ. »Wir können
Weitere Kostenlose Bücher