Bezaubernde Spionin
das musste er zugeben. Und sie ging, nein, sie glitt neben ihm her wie eine Raubkatze, die sich an ihr Opfer heranschleicht und vollkommen sicher ist, dass sie es im nächsten Moment anspringen und zu Boden reißen wird. Er verzog den Mund bei diesem ziemlich zutreffenden Bild. Doch abgesehen davon, dass es in seinem Herzen und auch in seinen Gedanken nur Platz für eine andere Frau gab, eine ebenfalls wunderschöne Frau mit rötlichen Haaren und kühn blitzenden grünen Augen, und seine Gedanken an sie alles andere überlagerte, kam es auch nur sehr selten vor, jedenfalls nach Ruperts Erfahrung, dass Raubkatzen, so geschmeidig und elegant sie sich bewegen mochten, nach Stall, Pferdemist und … Männerschweiß rochen.
*
Georgina Harrington war sich der Gegenwart des Mannes neben ihr nur allzu deutlich bewusst, und zum ersten Mal, seit sie denken konnte, kam ihre Skrupellosigkeit, mit der sie ihre Ziele verfolgte, ins Wanken. Sie spürte die Wärme seiner Hand unter ihrem Ellbogen, und sie hätte Sir Rupert am liebsten in eine Nische gezerrt und wäre über ihn hergefallen. Ein Gedanke, der ihre Erregung noch steigerte, und vielleicht hätte sie ihm auch nachgegeben, wenn sie nicht erst vor kaum einer halben Stunde genau dasselbe mit diesem hilflosen und primitiven Stallburschen getan hätte, der das Pech hatte, ihr in den Stallungen als Erster über den Weg zu laufen.
In die Nässe zwischen ihren Beinen, die durch ihre Lust auf Sir Rupert erzeugt wurde, mischte sich auch das warme, etwas klebrige Gefühl des Samens dieses Mannes, und sie musste sich zumindest ein wenig reinigen, bevor sie Sir Rupert verführen konnte.
Der zweifellos ein weit raffinierterer und ausdauernderer Liebhaber war als dieser dumme Pferdeknecht, der sie in einer dunklen Ecke des Stalls genommen hatte. Der Akt hatte kaum zwei Minuten gedauert, und er hatte sie alles andere als befriedigt; immerhin hatte er ihr ein bisschen diese schreckliche Unrast genommen, die sie seit Tagen verfolgte. Aber wirklich befriedigen konnte sie ein derartig barbarischer und primitiver Verkehr nicht, und auch, dass der Gefährte des Stallburschen sie anschließend im Heu genommen hatte, ebenso kurz und wenig befriedigend, hatte nicht verhindern können, dass diese Unrast, deren Natur sie nur zu gut kannte, sofort wieder aufgebrochen war, als sie Sir Ruperts im Gang ansichtig wurde.
Sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu, als sie über den Gang schritten. Er sah wirklich unglaublich gut aus, mit seinem seidigen Haar, den klaren, scharfen blauen Augen, den strahlend weißen Zähnen und den weichen, so sinnlichen Lippen, die sich jetzt allerdings zu einem schmalen Strich in seinem Gesicht zusammenpressten, als sie ihr Gemach erreichten.
Georgina war nur froh, dass Cunningham noch auf seiner Mission unterwegs war, die aufsässigen Clanchiefs zusammenzutreiben, damit sie, wie John von Bedford geschrieben hatte, sich rechtzeitig an dem vereinbarten Treffpunkt versammelten, um den »rechtmäßigen« König von Schottland zu küren, und zwar den selbstverständlich englischen Gemahl der Herzogin von Albany!
Sie hätte fast gelacht, als sie daran dachte, wie ausgezeichnet John von Bedfords Pläne funktioniert hatten. Königin Joan Beaufort hatte sich entschlossen, den Stein von Scone wiederzubeschaffen und ihren Gemahl anzuflehen, dass er sich darauf noch einmal krönen ließ. Wenn er das tat, würde er zumindest zugeben, dass seine Inthronisierung nach schottischem Brauch nicht ganz legal war.
William Douglas würde sich als Gegenkönig aufschwingen wollen, und es würde einen heftigen Clanskrieg in England geben, dem einige hohe Würdenträger zum Opfer fallen würden. Zum Beispiel William Douglas und gewiss auch König James I.
Georgina sah erneut zu Rupert hinüber. Und der Lordkämmerer würde in England bei dem Versuch sterben, den Stein von Scone zu stehlen und die Tochter des Herzogs von Albany zu entführen. Die bei diesem Versuch bedauerlicherweise das Leben verlor, weil sie sich tapfer gegen ihren Vergewaltiger und den Mörder ihres Vaters zu Wehr setzte. Natürlich erst, nachdem sie den Vertrauten des englischen Regenten geheiratet hatte, der damit die Herzogswürde erlangt und zu einem der mächtigsten Männer Schottlands geworden war. Und sich an die Spitze der unzufriedenen Clans setzte, die ihrem König grollten und die die Morde an Argyll von Albany und seiner Tochter gesühnt sehen wollten. Das würde die schottische Monarchie
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