Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
widerspenstige Locke aus dem Gesicht, warf
mir einen roten Kussmund zu und verließ das Zimmer.
Duvenbeck besaß sicher eine
Bibliothek. Bücher sagen mehr über Leute aus, als man in einem Gespräch
herausfinden kann. Außerdem ist die Unterhaltung mit den Büchern eines Menschen
meist interessanter als mit ihm selbst. Am Morgen war ich an einem Raum
vorbeigekommen, der wie ein Arbeitszimmer und eine Bibliothek ausgesehen hatte.
Ich fand ihn auch glücklich wieder, allerdings mit verschlossener Tür, und als
ich das Ohr neugierig an die Türflügel legte, hörte ich eine Stimme. Sie war so
gedämpft, dass ich nicht sagen kann, ob es sich um ein Gespräch oder ein
Telefonat handelte. Also war es nichts mit dem Lesen, und ich machte mich leise
von dannen, die Küche wiederzufinden. Denn wer spazieren gehen will, der
braucht Tee.
Ein
schöner Spaziergang würde mich vom Haus wegführen und damit die Chancen
minimieren, dass ich irgendetwas tun oder sagen würde, was mich in
Schwierigkeiten verwickeln könnte. Was für ein eitler Wahn solche Überlegungen
doch sind, ich steckte schon längst tief drin, ohne es allerdings auch nur zu
ahnen.
VII
Kurz darauf stand ich in der
Küche. Ich hatte artig geklopft und war nach einer kurzen Pause eingetreten.
Die Haushälterin und das Mädchen waren zugegen. Sie saßen an dem kleinen Tisch,
vor sich eine Kanne aus Gmundner Keramik samt Tassen. Außerdem sah ich neben
Milch und Zuckerdose auch einen Teller mit Keksen. Die Arbeitsfläche war
aufgeräumt, der Geschirrspüler lief. Man entspannte sich also nach getaner
Arbeit, bevor es an der Zeit war, sich an die Zubereitung des Abendessens zu
machen.
Herzlich
war mein Empfang nicht, schließlich kündigte mein Eintreten Arbeit und eine
Unterbrechung der netten Pause an.
»Was
gibt’s ‘n?«, wurde ich barsch von der zierlichen älteren Frau gefragt.
»Hoffnung
auf einen Liter heißes Wasser.«
»Wenn’s
Ihna dusch’n wuilln – mir ham an Boiler im Haus. In jedem Zimmer heißes
Wasser.«
»Mir
geht’s eher um innere Anwendung. Ein bisschen Tee für einen Spaziergang.«
»Ah,
Tee trinkt der Herr.«
Ungerührt
führte sie die Tasse zum Mund und nahm einen Schluck. Sie machte keinerlei Anstalten,
aufzustehen.
»Ich
kann mir das Wasser ruhig selbst aufsetzen. Den Wasserkocher kann ich auch bedienen.«
Ich deutete auf einen Winkel neben dem Brotkasten, wo ein schöner, matt
metallener Wasserkocher stand.
»Pffff,
sezten’ Ihna, moch’ I scho.« Sie drehte sich von mir zum Mädchen um. »Gina.«
Die
Angesprochene stand auf und ging zum Wasserkocher. Dabei kam sie an mir
vorüber, ein hübsches, zierliches Mädchen, das sich sehr gut bewegte.
»Da is
a Platzerl frei. Wenn’s Ihna traun.«
Wie
durch Zauberhand stand in Sekundenschnelle eine wohlgefüllte Teetasse am leeren
Platz. Mit zwei Stück Zucker und einem Schuss Sahne.
»Was
is? San sich der Herr zu fein, zum an unserm Tisch zuwe huckn?«
»Keineswegs,
ich will bloß nicht stören.«
»Dann
hättn S’ Ihna den Tee abschminken suilln.« Sie lächelte ein wenig.
Ich tat
es ihr nach. »Außerdem muss ich noch meinen Tee und meine Thermoskanne holen.«
»Hamma
selba. Gina.«
Das
Mädchen öffnete eine Schranktür. »Was für an Tee hättn’s gern?«
»Was
gibt’s denn?«
»Hinhucken,
Ihre Schale wird kalt.«
Ich tat
wie geheißen und nahm einen Schluck. Die helle, wolkige Sahne im dunklen
Kupferrot erfreute mein Herz. Nach dem ersten Schluck schien mir die Sonne,
auch wenn es draußen immer noch neblig und dunkel blieb.
»Also?«
»Was
Grünes?«
»Nur im
Beutel.«
»Dann
sowas.« Ich leerte den Rest in der Tasse und stellte sie auf den Tisch.
»Mit
Mülch und Zucker?«
»Geht
das denn?«
»Sicher.«
Sie
schenkte sich selbst nach, mir aber nicht. Offenbar war eine Tasse die Grenze
ihrer Gastfreundschaft. Auch die Kekse standen weit außer Reichweite. Dabei
waren es Vollkorn-Leibniz, mit dunklem Schokoüberzug. Um an solche Kekse zu
kommen, hatte ich schon aberwitzige Stunts durchgezogen, die üble Verwüstungen
und Berge an Leichen hinterlassen hatten. Aber so was steht dann immer in der
Zeitung, und das wäre Laura sicher gar nicht recht gewesen. Außerdem war die
Köchin sicher ein zäher Gegner. Also spielte ich das alte Spiel auf eine neue
Art.
»Ich
heiße Arno und will einen Keks«, stellte ich mit meinem sympathischsten Lächeln
fest.
»Mit de
Keks isses wie mit’m Tee«, lautete ihre bestimmte Antwort. Aber die
Lachfältchen um
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