Beziehungswaise Roman
ihm zu.
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es«, sagt er ruhig.
»Du weißt doch gar nicht, was die Ärzte gefunden haben.« Er zieht die Schultern hoch.
»Ist die korrekte Bezeichnung so wichtig?«
Sune nickt schnell.
»Wenn man weiß, was es ist, kann man es auch operieren. Die sagen, dass du Krebs hast, Krebs kann man operieren.«
Er schaut sie liebevoll an.
»Sune. Ich gehe nie wieder in ein Krankenhaus. Ich bleibe hier. Ich weiß schon lange, dass ich krank bin, und es macht keinen Sinn, es jetzt noch operieren zu lassen.«
Sie starrt ihn an.
»Aber woher willst du wissen, dass eine Operation nicht helfen würde?«
Wieder lächelt er dieses ruhige Lächeln.
»Ich weiß es.«
»Wieso hast du nicht früher was gesagt?«, frage ich ihn. Er verlagert seine Position ein wenig auf die Seite.
»Ich dachte, wenn ich lange genug durchhalte, falle ich an einem schönen Sommertag im Garten um, während ich Ebba im Haus singen höre. Aber so ist es auch gut. Diese zwei Jahre habe ich wirklich genossen, und jetzt freue ich mich, dass ihr bei mir seid und wir endlich darüber reden können. Ihr habt ja schon gemerkt, dass ich ein bisschenschlapp geworden bin. Bereitet euch darauf vor, dass es in nächster Zeit noch schlechter wird.«
Irgendwo summt eine Fliege. Ich schaue mich um, entdecke sie aber nirgends. Kann nicht sein. Es gibt keine Fliegen im Winter. Kann alles nicht sein.
»Aber ... vielleicht ist es heilbar«, versucht Sune es noch mal.
Fars Blick wird bestimmt.
»Hört mir zu: Ich gehe nie wieder in ein Krankenhaus. Nie wieder.« Er legt seine Hände auf den Bauch. »Es frisst sich da drinnen durch. Ich spüre es, und ich will nicht meine letzte Zeit mit Ärzten und Operationen verbringen.« Dann macht er eine entschiedene Handbewegung. »Und jetzt hört auf damit. Man muss nicht alles operieren. Schaut die Eskimos, die setzen ihre Alten aus, Indianer gehen zum Sterben in die Einsamkeit, ich will nicht in einem Krankenzimmer sterben, ich will hier sein, bei Ebba, bei euch, in meinem eigenen Bett. Ich weiß, es ist schwer für euch, aber ich will nichts mehr über Krankenhäuser hören.«
»Ebba kann dich nicht alleine pflegen«, werfe ich ein. Er nickt und winkt ab.
»Macht euch keine Sorgen. Es wird nicht lange dauern.« Wir starren ihn an. Das Summen wird lauter. Ich merke, dass es in meinem Ohr ist. Sune schaut aus dem Fenster. Ich schaue zu Boden und versuche zu verstehen. Eben noch wusste ich, dass mein Vater krank ist, und jetzt sagt er, dass er krank ist, und alles ist anders. Was ist passiert? Es ist doch nur dieselbe Information. Bloß eine verdammte Information ...
Far schaut zwischen uns hin und her.
»Kommt schon ... Ich bin zweiundachtzig, da ist es normal zu sterben, jedenfalls normaler, als noch am Leben zu sein, also Kopf hoch ...«
Niemand sagt etwas. Sune wendet ihren Blick vom Fensterab und mustert Far düster. Sie sieht schlimm aus. Ihre Augen sind dunkel. Ihr Gesicht ist fleckig. Sie leckt sich über die Lippen und scheint etwas sagen zu wollen, doch dann steht sie einfach auf und geht raus.
»Das wird schon wieder«, sagt er.
»Na klar«, sage ich und schaue aus dem Fenster. Es hat begonnen zu schneien. »Wie kannst du dir so sicher sein? Ich meine, was ist, wenn du dich irrst? Wir machen uns alle kirre, und dann lebst du noch zwanzig Jahre? Sollten wir nicht zumindest sichergehen, dass ...«
»Hör auf«, sagt er und legt mir seine warme Hand aufs Bein. »Es macht keinen Sinn, sich dagegen zu wehren. Ums Sterben ist noch keiner drum herumgekommen.«
»Ja, aber ...«
»Nichts aber«, unterbricht er mich bestimmt. Er nickt mir zu. »Ich fühle es«, sagt er. »Ich habe nicht mehr lange. Es nimmt mir meine Energie.«
Meine rechte Hand schlägt von allein aus.
»Aber so etwas können doch nicht mal Ärzte genau sagen, wieso glaubst du, dass du ...«
Sein Blick wird etwas strenger.
»Lasse. Hör auf damit.«
Ich setze mich auf meine Hände.
»Und mach nicht so ein Gesicht, du weißt doch, der Tod ist eine interessante Sache, nur schade, dass jemand dabei sterben muss.«
Er wackelt mit den Augenbrauen. Ich schließe meine Augen und atme ein. Aus. Ein. Aus. Dann öffne ich sie wieder und stehe auf.
»Scheiß auf ... scheiß Woody Allen!«
Ich gehe raus. Am Tisch erwartet mich Schweigen. Ebba wirft mir einen kleinen Blick zu, bevor sie ihn wieder auf Sune heftet, die konzentriert ihren Kaffee umrührt. Tess sieht mitgenommen aus. Sogar in einer
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