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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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wichtig?«
    »Ja.«
    »Sie werden mir nicht glauben«, warnte sie.
    »Versuchen Sie es«, erwiderte Arni.
    »Also gut. Ich war oben auf Deck, Sie wissen ja, dass die Ausflugsboote da oben mehrere Sitzreihen haben – das Meer war, wie gesagt, unruhig, aber das war nicht der Grund ... Wir wendeten gerade unter der Brücke, und da kam dieses Ding – dieses Objekt – auf mich heruntergeflogen. Landete vor meinen Füßen, erschreckte mich, sodass ich zusammenzuckte und den Granatapfelsaft auf der Bluse verkleckerte.«
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Arni stieß mich warnend mit dem Ellbogen in die Seite.
    Meriwether veränderte ihre Position und die des Omnis auf der Matte, sodass sich uns das Yogastudio aus einem anderen Blickwinkel präsentierte. Sie schloss die Augen und machte eine Dehnübung, die die Grenzen menschlicher Flexibilität zu sprengen schien. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, es war eine dumme, kleine gelbe Ente. Unten dran war so ein Nippel, als hätte sie zu einem Kinderspielzeug gehört. Kam einfach aus dem Nichts angeflogen. Ich war überzeugt, dass mir jemand auf dem Boot einen Streich gespielt hatte. Ich war so wütend. Aber man konnte unmöglich sagen, wer der Schuldige war. Es waren keine Kinder in der Nähe.«
    »Haben Sie zufällig in dem Moment auf die Uhr gesehen, als die Ente auf dem Boot landete?«, fragte Arni.
    Sie schlug die Augen auf. »Nein, warum sollte ich? Wissen Sie, ich habe nie jemandem davon erzählt, weil es so demütigend war. Aber so und nicht anders war es.« Sie kam auf die Füße, ergriff den Omni und trat ans Fenster. Das Bild wurde heller, und nun konnte man die feinen Linien in ihrem Gesicht sehen.
    »Ich war es«, sagte ich zu der Frau, deren Lebenslinie sich vor dreieinhalb Jahrzehnten mit meiner überschnitten hatte.
    »Was meinen Sie?«
    »Ich war es,« wiederholte ich lauter. »Es tut mir leid. Sehr leid.«
    Sie runzelte die Stirn. »Sie waren auf dem Boot?«
    »Auf der Brücke darüber.«
    »Sie – da müssen Sie noch sehr jung gewesen sein.«
    »Sechs Monate. Die Ente fiel von meinem Schnuller ab.«
    »Ich verstehe.«
    Lange Zeit starrte sie nur aus dem Fenster.
    »Danke«, sagte Meriwether schließlich. »Es bedeutet mir viel, dass es nicht aus Absicht geschehen ist.«
    »Sie waren uns eine große Hilfe«, sagte Arni und rieb sich die Hände.
    »War ich das? Sechs Monate – dann haben Sie ein Alter Ego, Felix?« Es war das erste Mal, dass sie mich beim Namen nannte.
    »Er ist Chefkoch im frisch renovierten
Organic Oven
, hat eine Verlobte und zwei Hunde. Außerdem« – ich zuckte zusammen – »schreibt er an einer Krimireihe.«
    »Haben Sie sie zufällig behalten?«, wollte Professor Maximilian wissen und beugte sich ins Blickfenster des Omni. »Die Ente. Haben Sie sie noch?«
    Sie seufzte. »Es ist mir ein wenig peinlich, aber ja, ich habe sie behalten. Es war ein so einschneidender Moment, der mein ganzes Leben veränderte.«
    »Mango Meriwether«, verkündete der Professor feierlich, »wie würde es Ihnen gefallen, berühmter zu sein, als Olivia May, die Erfinderin des Omni, es je sein wird?«

    Arni blieb zurück, um die inzwischen abgekühlte Tomatensuppe aufzuwischen, während Pak Professor Maximilian bei seiner Fragenkampagne half. Bean begleitete mich aus dem bihistorischen Gebäude nach draußen. Sie wirkte abwesend, als wäre ihr noch gar nicht richtig klar, wie viele Leute nun bald ihre Dissertation lesen würden.
    »Bean, äh, du hast viel zu tun, ich weiß, aber würdest du gerne mit mir zu Mittag essen, bevor ich abreise?«
    »Wie viel Zeit bleibt uns denn noch?«
    »Ich muss um zwei Uhr dreißig am Übergangsterminal sein.«
    »Warum zwei Uhr dreißig?«
    »Mein Touristenvisum läuft exakt acht Tage nach meiner Querung von A nach B ab.
    »Der Käfer steht da drüben.«
    Der Nebel hatte sich gelichtet, und die grelle Sonne zwang Bean, die Krempe ihres Strohhuts beim Fahren herunterzuklappen. Ich putzte meine Sonnenbrille und setzte sie auf. Warum hatte ich eigentlich beschlossen, meinen Krimi in einer kalten, schneereichen Gegend anzusiedeln? Vielleicht ging es ja gerade darum. Man schreibt über Orte, die von der eigenen Realität so weit wie möglich entfernt sind, und der Akt des Schreibens entführt Autor und Leser gleichermaßen dorthin. Und was war mit der schönen alten Empfehlung, nur über Dinge zu schreiben, die man kannte? Ich war ein paar Mal zum Skifahren am Lake Tahoe gewesen und wusste ganz

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