Bezwinger meines Herzens - Kennedy, K: Bezwinger meines Herzens - The Irish Warrior
gewesen. Oder vielleicht hatte seine strahlende Kraft sie auch nur zu sehr abgelenkt. »Das Band der Fürsorge ist oftmals stärker als das des Blutes.«
Sie riss den Blick von den Narben los. »Und jetzt bist du der Ratgeber des Königs. Wie ist das gekommen?«
»Ich habe ihm Ratschläge gegeben, und er hat sie für gut befunden.« Er griff nach den sauberen Stiefeln.
Senna zog die Nase kraus. »Aus einer Sippe der Märchenerzähler. Das war in der Tat armselig.«
Finian brach in lautes Lachen aus, so plötzlich wie ein Regenschauer an den Hundstagen im Juli, ein tiefes, sorgloses männliches Lachen, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Er stand auf und streckte die Arme nach ihr aus. Sie ging zu ihm. Er schob ihr die Haare aus dem Gesicht und betrachtete sie, als sähe er sie zum ersten Mal. Dann legte er wortlos die Hand auf ihre Wange, fuhr mit dem Gesicht an ihrem Nacken entlang und atmete sie ein.
Irgendetwas stimmte nicht.
»Finian?«
Er ließ ihr Haar los.
»Die Ratsversammlung nicht gut verlaufen, nicht wahr?«
»Wir leben nun mal in unguten Zeiten«, erwiderte er. Seine Stimme klang so leise, dass Senna näher kommen musste, um ihn zu verstehen. Als er sie unvermutet losließ, um zurück zur Bank zu gehen, wäre sie fast gestolpert. Finian begann, sich die sauberen Stiefel anzuziehen.
»Hat es mit Rardove zu tun, Finian?«, fragte Senna langsam.
Er schwieg.
»Also ja«, gab sie sich selbst die Antwort. »Was in diesem Fall bedeutet, dass es mit mir zu tun hat.« Ihre Stimme klang aufgewühlt.
Finian schaute auf, aber sein Blick war verschlossen, unergründlich. Er hätte ebenso gut aus dem Zimmer verschwunden sein können. »Es hat nichts mit dir zu tun.«
»Finian, ich kann helfen. Ich kann etwas tun. Was geht hier vor sich? Sag es mir.«
»Ich bin nur hergekommen, um mich zu überzeugen, dass du gut untergebracht bist«, erwiderte er grimmig. »Bleib hier im Zimmer. Du wirst Leute hören, die in die Halle kommen. Heute Nacht findet ein Festmahl statt, aber ich möchte, dass du hierbleibst.«
»Ein Festmahl?«
»Lassar wird dafür sorgen, dass du ein oder zwei schöne Röcke bekommst und saubere Sachen. Sie wird sich um dich kümmern. Wir brechen morgen früh auf.«
»Wohin gehen wir?«
»Nicht du.« Finian zerrte am zweiten Stiefel herum und stand auf. Rasch zog er sich das rote leine über und gürtete es.
»Wie bitte?«, hakte Senna nach.
»Wir ziehen in den Krieg.« Ihm war klar, dass er kurz und knapp mit ihr redete, aber es gab keine andere Möglichkeit.
»O nein«, hörte er sie hinter sich wispern.
»Morgen in aller Herrgottsfrühe breche ich auf.« Er stieß die Worte aus, schaute sie nur kurz an und drehte sich zur Tür. »Es kann sein ... dass wir uns nicht mehr sehen, bevor ich gehe.«
»Oh.«
Das brachte ihn dazu, sich noch einmal zu ihr umzudrehen, denn er war schockiert über den Zorn, der in dem schlichten Wort und all dem lag, was aus ihm folgte. »Ich tue nur meine Pflicht, Senna«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Meine Pflicht. Um nichts anderes geht es, begreifst du das nicht? Habe ich dir das nicht klargemacht?«
Sie hob das Kinn. »Im Gegenteil. Es gibt einige Dinge, die du unmissverständlich klargemacht hast. Erstens, du bist in der Lage, die größten Dummheiten zu begehen. Zweitens ...«
Ihm stand der Mund offen.
»... bist du offenbar schrecklich verwöhnt worden, da du den Hochmut besitzt, saubere Kleidung anzuziehen, ohne dir zuvor den Schmutz von deinem Körper zu waschen. Drittens stellst du eine Sturheit zur Schau, die ich niemals ...«
Er eilte zur Tür. »Bleib hier.«
Finian schaffte es bis zur Schwelle, bevor er ihre leichte Berührung am Arm spürte. »So gehst du nicht von mir fort.«
Es hätte eine Bitte sein können. War es aber nicht. Es war sonnenklar und unmissverständlich und eindeutig, was er von ihr wollte. Und es brachte ihn dazu, sich wieder umzudrehen, obwohl er wusste, dass er jetzt dieses Zimmer verlassen und wegrennen sollte, ohne stehen zu bleiben.
Er hatte keine Wahl. Sonnenklar und unmissverständlich und eindeutig würde sie das Leben kosten. Man würde sie nicht in Ruhe lassen. Die Gerüchte machten bereits die Runde. Gerüchte, dass sie einen Krieg vom Zaun gebrochen hatte. Die Sache konnte übel enden. Und sehr schnell. Also schaute er ihr mit kaltem Blick in die Augen. Herausfordernd. Und unterdrückte den Impuls, sich in ihrer weiblichen Stärke zu verlieren.
»Hör mir zu, Senna«,
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