Bianca Arztroman Band 0026
Doktor verschreibt einen erfrischenden Spaziergang am Fluss entlang, bevor er dich nach Haus schickt.”
“Du könntest stattdessen auch noch mit auf einen Schlaftrunk zu mir kommen”, schlug sie vor. “Wenn wir es kurz halten und weit genug auseinandersitzen, sollte eigentlich nichts passieren.”
“Keine gute Idee, Sweetheart. Mir ist das einfach zu gefährlich. Und zudem habe ich heute Abend noch eine Visite zu machen, die nicht aufgeschoben werden kann.”
Grant mochte Olivia nicht anlügen, nicht einmal indirekt. Aber es war der Zeitpunkt gekommen, wo er ein paar Dinge mit Sam Whitfield klären musste.
Es war schon dunkel, als er seinen Wagen auf der Straße vor dem Anwesen parkte. Er nahm einen Fußweg, der bei den alten Ställen herauskam. Den Weg kannte er noch gut, von damals, als er sich heimlich mit Olivia getroffen hatte, wenn ihr Vater dachte, sie würde friedlich schlafen.
Whitfield House, ein großes Haus im Kolonialstil, lag still da. Olivias Urgroßvater hatte es gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts gebaut. Die pechschwarzen Fenster starrten hinaus auf den mondlichtbeschienen Rasen. Alles schien zu schlafen. Aber als er klingelte, flammte Licht hinter den bleigefassten Scheiben zu beiden Seiten der Eingangstür auf. Eine Minute später öffnete sich die Tür. Edward, der englische Butler, wich einen Schritt zurück als er sah, wer vor ihm stand.
“Guten Abend, Edward”, sagte Grant freundlich. “Ist Seine Lordschaft zu Haus?”
“Ich glaube nicht, dass er Besuch erwartet, Sir.”
“Er hat ihn schon. Sagen Sie ihm, ich mache es kurz, aber ich gehe nicht wieder, ohne mit ihm gesprochen zu haben.”
“Einen Moment, Sir.” Edward verschwand, ließ aber die Tür einen Spalt weit offen.
Gleich darauf tauchte Sam auf, in einem braunen Brokatmorgenmantel, Pantoffeln und mit einer dicken Zigarre zwischen den Zähnen.
“Was zum Teufel willst du?”, knurrte er.
“Dir auch einen schönen guten Abend, Sam. Und danke, ich komme gern rein.”
“Verschwinde von meinem Grundstück, ehe ich dich verhaften lasse, Madison!” Der alte Mann versuchte, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen.
Aber Grant war vorbereitet und hielt sie mit einer Hand offen. “Erst, wenn wir beide eine Vereinbarung erreicht haben, Sam. Also, wo wollen wir darüber reden? Hier draußen, wo Edward alles haarklein mitbekommt? Oder lieber irgendwo drinnen in Ruhe?”
Sie funkelten einander an. Grant würde keinen Zentimeter nachgeben, und Sam wusste es. “Du hast fünf Minuten”, polterte Sam schließlich, drehte sich um und marschierte los. “Wir unterhalten uns in der Bibliothek.”
In der Bibliothek lief ein Fernseher, ein Buch und ein Haufen Zeitungen lagen neben einem lederbezogenen Lehnstuhl am Kamin auf dem Boden. Auf dem kleinen Tisch daneben standen eine Karaffe und ein fast leeres Glas.
“Also? Was willst du?”, bellte Sam. Er stürzte sein Glas herunter, bot aber Grant nichts an. “Ich habe nicht die ganze Nacht lang Zeit!”
“Dann komme ich gleich zur Sache. Olivia und ich versuchen einen neuen Anfang, und ich will nicht, dass du oder jemand anders sich da einmischt. Das letzte Mal hat gereicht. Noch einmal werde ich es nicht zulassen. Sie wird immer deine Tochter bleiben, Sam, aber sie ist nicht mehr dein kleines Mädchen. Sie ist eine erwachsene Frau mit einem eigenen Leben. Also, halt dich zurück und lass sie es so führen, wie sie will.”
“Und wenn nicht?”
“Dann werde ich kämpfen. Und du wirst verlieren.”
“Du scheinst zu vergessen, mit wem du dich anlegst, Madison. Ein Wort von mir, und du fliegst in hohem Bogen aus dieser Stadt.”
Grant lachte. “Du kochst auch nur mit Wasser, alter Mann. Und solange du mir keine groben beruflichen Verfehlungen oder irgendwelche Verbrechen anhängen kannst, wirst du mich erst wieder los, wenn ich es will. Und wenn ich gehe, nehme ich Olivia mit mir.”
“Und du nennst dich Arzt?”, lamentierte der Alte und presste die Hand auf die Brust, während er zum Stuhl stolperte. “Selbst ein Laie kann sehen, dass ich ein kranker Mann bin. Aber du kommst hierher, drohst mir und erwartest meinen Segen, obwohl du dein Bestes gibst, mich ins Grab zu bringen!”
“Du bist knallhart, Sam, und wir beide wissen es. Aber das kann ich auch sein! Und noch etwas: Ich mache Olivia glücklich, und wenn du auch nur ein wenig für sie übrig hast, dann sollte das für dich doch zählen.”
“Und wie lange wird es diesmal andauern, Madison? Bis zu
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