Bianca Exklusiv 0189
zierliches Persönchen, aber in dem großen weißen Krankenhausbett schien sie zu einem Nichts zusammengeschrumpft zu sein. Das graue Haar hing ihr strähnig herunter, die Wangen waren eingefallen, der Teint wachsbleich, und der Ausdruck ihrer hellblauen Augen spottete jeder Beschreibung. Sephy hatte sofort Mitleid mit ihr, und Conrad Quentin ging es wohl genauso.
Aus dem aggressiven, rücksichtslosen Geschäftsmann und nervenaufreibenden, spöttischen Begleiter der vergangenen halben Stunde war ein richtiger Mensch geworden. Er sprach ganz ruhig und beinah schon zärtlich mit seiner ältlichen Sekretärin, legte den riesigen Blumenstrauß und die Pralinenschachtel, die sie unterwegs gekauft hatten, auf einen Stuhl und nahm Madge erst einmal in die Arme.
Eine ganze Zeit lang saß er so an ihrem Bett, und als er sie freigab, waren ihre Wangen tränenüberströmt, und er drückte Madge sanft zurück in die Kissen. Nachdem er Sephy die Möglichkeit gegeben hatte, Madge zu begrüßen, redete er weiter mitfühlend und tröstend auf seine Sekretärin ein, hielt ihr dabei die Hand und sprach ihr Mut zu.
Während Sephy die beiden beobachtete, wurde ihr bewusst, dass Conrad und Madge ein über das Berufliche hinausgehendes Verhältnis haben mussten. Sie waren eher wie Mutter und Sohn, und damit hatte Sephy nun ganz und gar nicht gerechnet.
Durch Conrad Quentins Verhalten Madge gegenüber sah sich Sephy veranlasst, ihre vorgefasste Meinung über ihn noch einmal zu überdenken. Vielleicht war er doch nicht der eiskalte, berechnende Macho, den sie sich vorgestellt hatte. Vielleicht steckte hinter dieser zugegebenermaßen unheimlich anziehenden Fassade ein richtiger Mensch.
Als sie sich gegen halb zehn von Madge verabschiedeten, war die kleine Frau wie ausgewechselt, lächelte sogar und hatte auf alle Fälle ihren Lebensmut wieder gefunden.
Schweigend gingen Sephy und Conrad hinaus und hingen dabei ihren Gedanken nach, die unweigerlich mit Madges Schicksal und den besten Wünschen für sie zu tun hatten.
„Danke, Sephy“, sagte Conrad unvermittelt und aufrichtig, als sie bei der großen Drehtür, die hinaus ins Freie führte, angekommen waren.
Erstaunt darüber, dass er sie mit der Kurzform ihres Namens angeredet hatte, blickte Sephy nun zu ihm hinüber und fragte: „Woher der Sinneswandel?“
„Ich glaube, Sie so zu nennen, wie es Ihnen am liebsten ist, ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich für Ihren Beistand zu bedanken.“
„Aber das war doch kein Problem. Damit habe ich sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.“
„So?“
„Ich hatte eine Einladung für eine Party, zu der ich nicht gehen wollte.“
„Und ich dachte, Sie wären meinem Charme erlegen.“
Das hatte er scheinbar einfach so dahingesagt, aber Sephy wurde das Gefühl nicht los, dass ein Körnchen Wahrheit darin lag.
„Aber wie auch immer, ich würde Sie gern noch zum Essen einladen. Nach dem heutigen Tag haben wir uns das redlich verdient.“
Draußen war es schon dunkel, und es roch angenehm nach Spätsommer und Grillkohle, was einen angenehmen Kontrast zur sterilen Krankenhausatmosphäre bildete.
Unsicher sah Sephy nun zu ihm auf und überlegte, wie sie seine Einladung ausschlagen konnte, ohne ihn zu verletzen. Abgesehen davon, dass sie abends nicht mit Ihrem Chef essen gehen wollte, hätte sie in seiner Gegenwart wahrscheinlich keinen Bissen herunterbekommen – so sehr brachte er sie durcheinander.
„Und, was sagen Sie?“, fragte er nun, ohne dass Sephy hätte beurteilen können, wie ernst es ihm mit der Einladung war.
„Was ist mit Miss de Menthe?“, fiel ihr da gerade noch ein zu fragen. „Ich dachte, Sie beide wären verabredet.“
„Ich habe ihr abgesagt.“ Sein Blick war nun endgültig undurchdringlich geworden. Und da Sephy keine Anstalten machte weiterzugehen, nahm Conrad Quentin sie einfach beim Arm. Aber da sie ja wusste, wie viele Frauen er schon gehabt hatte und mit welchem Frauentyp er sich normalerweise umgab, fühlte sie sich dabei wie ein Mauerblümchen.
Heiß konnte sie allerdings seine Körperwärme durch ihr dünnes Twinset spüren, und es lag nicht nur an Conrad Quentins flottem Schritt, dass sie mit einem Mal ganz außer Atem war. Außerdem roch er so gut, was nicht nur auf sein teures Aftershave zurückzuführen war.
Als sie beim Wagen ankamen, tanzten wieder Schmetterlinge in Sephys Bauch, und nur mit Mühe konnte sie ein Zittern ihrer Hände verbergen.
Conrad Quentin öffnete ihr die
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