BIANCA EXKLUSIV Band 0171
Zweig zur Seite und führte sie in den Irrgarten.
Der Weg zwischen den Hecken war so schmal, dass sie hintereinander gehen mussten, aber Seb ließ ihre Hand nicht los. „Ganz schön eng hier“, sagte sie.
„An manchen Stellen ist der Weg völlig zugewachsen.“
„Es wundert mich, dass überhaupt noch ein Weg vorhanden ist. Dieser Irrgarten sieht aus, als wäre er ebenso vernachlässigt worden wie der Rest des Schlosses.“
„Sie werden sehen, dass ich die schlimmsten Auswüchse schon beseitigt habe. Ich will versuchen, dem Garten etwas vom Charme des letzten Jahrhunderts zurückzugeben, aber die kleinen Reparaturen im Schloss kosten viel Zeit. Ich weiß gar nicht, wie Louis es geschafft hat, es vor dem Zusammenfallen zu bewahren. Es ist schade, dass Mademoiselle Carlisle nicht daran interessiert ist, eine vollständige Restauration zu finanzieren.“
Monty hoffte, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie zusammengezuckt war. „Ich würde nicht sagen, dass sie nicht interessiert ist.“
Er lachte. „So? Sehen Sie sich doch um. Dieses Schloss ist für sie nur ein Besitz unter vielen.“
„Vielleicht wusste sie bisher nicht, wie dringend es restauriert werden muss.“
„Das bezweifle ich. Es ist ihr einfach zu teuer.“
„Ihr war nur nicht bewusst, in welchem Zustand es sich befindet.“
Seb drückte ihre Hand und bog um eine Ecke. „Mademoiselle Carlisle kann sich glücklich schätzen, so loyales Personal zu haben.“
„Personal ist so ungefähr das Einzige, was sie hat. Hier allerdings gibt es nicht sehr viel davon.“
„Ersparen Sie mir die Geschichte vom ‚armen reichen Mädchen‘. Montgomery Carlisle kann alles bekommen, was sie will.“
Monty hatte diese Worte schon mehrmals gehört, doch sie taten noch immer weh. „Es gibt Dinge, die nicht zu kaufen sind.“
„Vielleicht.“ Mit dem Fuß schob er einen abgebrochenen Zweig aus dem Weg. „Manche Dinge stehen gar nicht zum Verkauf. Dieses Schloss, zum Beispiel. Es hat mehrere Interessenten dafür gegeben. Sie hat sich jedes Mal geweigert, es zu verkaufen.“
Monty konnte es sich nicht vorstellen. „Ich hätte … Ich meine, jeder vernünftige Mensch wäre froh, den alten Kasten loszuwerden.“
Er bog um eine weitere Ecke und führte sie zu einer Lichtung, auf der ein Pavillon stand. Wildblumen und Gräser wuchsen durch die Ritzen im Fußboden. Seb ließ Montys Hand los, ging die schiefen Stufen hinauf und strich über den einzigen noch heilen Stützpfosten. „Dies ist der Pavillon. Man sagt, dass der Geist der letzten Schlossherrin in mondlosen Nächten hier erscheint.“
„Hat sie sich verirrt? Ist sie nicht mehr aus dem Irrgarten herausgekommen und verhungert?“
„Der Irrgarten wurde erst nach ihrem Tod angelegt. Sie wurde hier im Pavillon ermordet.“
Monty bückte sich und berührte den kalten, glatten Stein der Treppe. „Wer hat sie getötet?“
„Manche behaupten, dass es ihr Liebhaber war. Er hat sie angefleht, mit ihm fortzugehen. Vielleicht war sie versucht, es zu tun. Den Teil der Geschichte kennt niemand. Aber sie wusste, dass es in ihren Kreisen verzeihlich war, einen Liebhaber zu besitzen, aber nicht, seine Familie zu verlassen. Sie wollte keine Schande über ihren Mann und die Kinder bringen, also weigerte sie sich, mit dem Liebhaber fortzugehen. Er brachte sie um.“
Monty rieb die Hände aneinander. Ihr war plötzlich kalt. „Bestimmt ein heißblütiger Franzose.“
„Au contraire, ein kaltblütiger Amerikaner. Josiah Carlisle.“
Verblüfft sah Monty ihn an. „Das kann ich nicht glauben.“
„Warum nicht? Kannten Sie ihn.“
„Natürlich nicht. Aber ich habe viel über ihn gehört … seit ich für Miss Carlisle arbeite. Ein solcher Mann ermordet niemanden, erst recht nicht eine Frau.“
„Welche Art von Mann begeht denn einen Mord?“
Darauf hatte Monty keine Antwort. „Sie sagten, manche glauben, dass der Liebhaber der Mörder war. Heißt das, man ist sich nicht einig, wie die Schlossherrin ihr vorzeitiges Ende gefunden hat?“
Sebastian setzte sich auf die Treppe. Er war ein sehr attraktiver Mann, und Monty hatte Mühe, ihn nicht fasziniert anzustarren. „Viele glaubten damals, dass Edouard, ihr Mann sie mit dem Liebhaber überrascht und sie im Jähzorn getötet hat. Aber es gab keine Beweise für diese Version.“
Monty setzte sich neben ihn. Nicht so nah, dass sie ihn berührte, aber nah genug, um seine Wärme zu spüren. „Die Spurensicherung war damals noch nicht so weit entwickelt
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