BIANCA EXKLUSIV Band 0171
Heilige Johanna auf dem alten Wandteppich. „Eves Rat befolgen und um dein Leben laufen? Oder Sebastian vertrauen, trotz all der Dinge, die gegen ihn sprechen?“
Johanna sah unverändert zu dem Banner hinauf, das sie in die Höhe reckte. Es war die Fahne der Freiheit, die den Kämpfern Mut machen sollte.
Monty deutete es als Aufforderung, im Schloss zu bleiben. Wenn sie überzeugt war, dass im Carlisle-Fluch ein Körnchen Wahrheit steckte, konnte sie schließlich auch an Märchen glauben.
Vor Jahrhunderten war am Fuß des Schlosses ein Dorf gewachsen. Es hatte sich seitdem zwar verändert, aber noch immer fühlten sich Besucher in seinen Gassen in die Vergangenheit versetzt. Einige der Häuser stammten aus dem Mittelalter, andere waren auf den uralten Grundmauern errichtet worden. Die Spuren der wechselhaften Geschichte waren nicht zu übersehen. Torbögen bröckelten, und in der Nähe der im 18. Jahrhundert gebauten Kirche fanden sich die Überreste eines heidnischen Tempels.
Das Dorf lag am Fluss. Hohe Pappeln spendeten den Schieferdächern und liebevoll gepflegten Gärten Schatten. Im Wasser der Loire spiegelten sich die Bäume und Wolken. Der kleine Dorfplatz lag friedlich da, und wer ihn betrat, hatte das Gefühl, als stünde die Zeit still. Die Dorfbewohner, die gemächlich über das Kopfsteinpflaster schlenderten, beachteten die wenigen Touristen kaum, die sich hierher verirrten.
Monty saß auf einer verwitterten Holzbank am Rande des Platzes. Die Düfte, die die wenige Schritte entfernte Bäckerei verströmte, waren herrlich, und das knusprige Croissant hätte eigentlich ebenso herrlich schmecken müssen. Aber Monty kaute gedankenverloren darauf herum. Sie zerbrach sich noch immer den Kopf darüber, was hinter den „Unfällen“ stecken konnte … Und sie versuchte verzweifelt, ihr Herz davon zu überzeugen, dass sie Sebastian de Vergille nicht liebte.
Als hätten ihre Gedanken ihn herbeigerufen, sah sie ihn plötzlich die Straße entlangkommen. Direkt auf sie zu, mit langen, entschlossenen Schritten. Das schwarze Haar hing ihm um die Schultern. Monty lächelte ihm entgegen.
Plötzlich blieb er stehen und sah sich um. Hatte er sie nicht bemerkt? Sie konnte ihn genau erkennen. Oder lag das nur daran, dass jede Einzelheit seines Gesichts sich ihr fest eingeprägt hatte? Er ging weiter. Doch als sie gerade die Hand heben wollte, um ihm zuzuwinken, sah sie ihn lächeln. Es war ein rätselhaftes und zugleich unbeschreiblich charmantes Lächeln. Monty hielt den Atem an, wollte aufspringen und zu ihm laufen.
Doch dann wurde ihr klar, dass das Lächeln gar nicht ihr galt, sondern der Frau, die aus einer kleinen Gasse kam. Es war Eve, der das hinreißende Lächeln galt. Und es war auch Eve, die jetzt die Hand auf Sebastians muskulösen Arm legte.
Eve? dachte Monty. Was hatte Eve hier zu suchen und warum traf sie sich mit …? In diesem Moment sah sie, wie Seb Eves Hand an die Lippen hob und küsste. Wie Eves Schultern sich hoben und senkten, als sie tief durchatmete. Und wie sich in ihrem Gesicht widerspiegelte, was der Kuss und das Lächeln in ihr auslösten.
Ungläubig beobachtete Monty, wie Seb Eves Hand festhielt und den anderen Arm um ihre Taille legte. Die Art, wie er sich zu ihr hinabbeugte, während sie zum einzigen Café des Dorfs gingen, hatte etwas Intimes und Vertrautes. Monty blieb zurück, mit einem halben Croissant in der Hand und einem schmerzhaften Gefühl der Leere im Bauch.
Eine Verabredung. Zwischen Sebastian und Eve. Undenkbar. Eve und Sebastian. Warum sollte er sich mit ihr treffen? Und warum wagte die so ängstliche Eve sich allein ins Dorf, um mit einem Mann ins Café zu gehen, den sie für gefährlich hielt?
Die Antwort war so klar wie der Klang der Kirchenglocke, die zu jeder vollen Stunde läutete. Eve hatte Sebastian bei ihr schlechtzumachen versucht. Und das nicht etwa, weil sie Angst um Monty hatte, sondern weil sie sich selbst von ihm angezogen fühlte. Eve war viel zu unerfahren und schüchtern, um offen mit ihr um Sebastian zu konkurrieren. Also tat sie es heimlich, um ihn ihr zu stehlen.
Aber Eve war nicht allein schuld. Auch Sebastian spielte ein falsches Spiel. Monty war sicher, dass er sie ausgenutzt hatte, um an die vermeintliche Carlisle-Erbin heranzukommen. Ohne zu wissen, dass er Montgomery Carlisle schon vor sich hatte. Sie hatte sich als Eve ausgegeben, weil sie nicht ihres Reichtums wegen begehrt werden wollte. Und die Hoffnung hatte sich erfüllt. Bei
Weitere Kostenlose Bücher