BIANCA EXKLUSIV Band 0171
Monty musste zurückweichen. „Ich werde Ihre Leiche finden“, sprach Eve weiter. „Ich werde sagen, dass ich Ihren Schrei gehört habe. Oder dass ich vom Wind geweckt wurde, nachdem Sie unvorsichtigerweise die Fenster geöffnet hatten. Ein tragischer Sturz. Wenn die Polizei kommt, werde ich schluchzend erklären, dass ich Sie gewarnt habe. Dass ich Sie angefleht habe, nicht auf den Balkon zu gehen. Selbst Sebastian hat Ihnen gleich am ersten Abend gesagt, wie gefährlich es ist. Und es gibt jede Menge Leute, die bestätigen können, wie unvernünftig und leichtsinnig Sie schon immer waren.“
Im Zurückgehen warf Monty einen Blick über die Schulter und stellte fest, wie schmal der Balkon war. „Was versprechen Sie sich von meiner Ermordung, Eve? Man wird Sie überführen. Edwin und Tante Jo sind im Schloss und werden Sie sofort verdächtigen.“
Eve lächelte, als hätte sie es mit einem begriffsstutzigen Kind zu tun. „Sebastian wird der Mörder sein, ma fleur. Er ist der ideale Verdächtige. Seine Urgroßmutter wurde von Ihrem Urgroßvater umgebracht. Sie sind die Eigentümerin des Schlosses, das eigentlich ihm gehören müsste. Das ist ein ziemlich handfestes Motiv. Außerdem werde ich aussagen, dass ich Sie angefleht habe, ihm nicht zu trauen.“ Die Mündung bohrte sich schmerzhaft in Montys Brust. „Aber Sie haben mir befohlen, mich nicht einzumischen. Was sollte ich tun? Ich werde dafür bezahlt, Anweisungen zu befolgen.“
In diesem Moment begriff Monty. Sie schluckte, als Übelkeit in ihr aufstieg. „Das ist es, nicht wahr? Sie werden dafür bezahlt, einen Mord zu begehen. Seien Sie nicht dumm, Eve. Setzen Sie Ihre Zukunft nicht aufs Spiel. Nicht für etwas so Unwichtiges wie Geld.“
„Was wissen Sie denn schon? Eine verwöhnte Prinzessin, der es nie an etwas fehlte. Machen Sie sich nichts vor. Sie haben keine Ahnung, wie wichtig Geld ist, wenn man nicht genug davon besitzt.“
„Ruinieren Sie nicht Ihre Zukunft, Eve. Bitte, hören Sie mir zu.“
„Wenn Sie nicht gleich über die Brüstung stürzen, habe ich keine Zukunft.“ Sie ließ den Schlagbolzen zurückschnappen. Monty zuckte zurück und fühlte den kalten, nassen Stein der Brüstung am Po.
„Sie haben das Ende Ihres Märchens erreicht, Montgomery.“ Eve legte die freie Hand auf Montys Schulter. „Ich habe Sie gewarnt und gebeten, vorsichtig zu sein. Ich habe Ihnen gesagt, dass der Carlisle-Fluch sich erfüllen wird, wenn Sie nicht aufpassen. Ich weiß, eigentlich sind wir etwas zu früh. Der Fluch sieht vor, dass Sie nicht vor Ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag sterben. Aber ich kann nicht bis Mitternacht warten.“
Der Druck gegen Montys Schulter wurde immer stärker. Sie stand wie gelähmt da und konnte sich nicht dagegen wehren, dass ihr Schwerpunkt sich immer weiter nach hinten verlagerte. Sie konnte an nichts anderes denken als an den Fluch, den sie so oft gehört hatte. Der letzte Nachfahre Josiah Carlisles wird sterben … wird sterben … wird sterben … wird … sterben … wird.
„Monty! Pack die Waffe! Kämpfe. Stirb nicht … stirb nicht …“
Sebastians Stimme schien aus großer Ferne zu kommen, aber sie riss Monty aus der Erstarrung. Aus ihrer Angst stieg der Zorn empor wie der Phoenix aus der Asche. Neue Kraft durchströmte ihren eben noch gelähmten Körper. Sie nahm die kalten Finger von der glatten Brüstung und packte Eves Waffe. Die Mündung entfernte sich von ihrem Herzen.
„Hören Sie auf!“, rief Eve, als könnte sie nicht glauben, dass Monty sich wehrte. „Lassen Sie los! Ich sagte, lassen Sie los!“
Monty konzentrierte sich ausschließlich auf die Waffe und den Versuch, sie Eve abzunehmen. Sie schob sie zur Seite, drehte sich weg und zog mit aller Kraft am Lauf der Pistole.
Eve wusste, dass sie ohne Waffe verloren war, und umklammerte den Griff mit beiden Händen. „Lassen Sie los!“, schrie sie und wich zurück. Monty wurde nach vorn gerissen und verlor auf dem nassen Boden den Halt. Der Pistolenlauf entglitt ihren Fingern, Eves Arm sauste nach oben, und ein Schuss löste sich. Das Geschoss verschwand am dunklen Himmel, und der Knall hallte wie ein Donnerschlag durch die Nacht. Eve verlor das Gleichgewicht, taumelte zurück und stürzte über die Brüstung. Mit einem Aufschrei fiel sie nach unten.
Monty versuchte noch, sie festzuhalten, griff aber nur in die Luft. Sie zitterte wie Espenlaub, als sie zur Brüstung ging und hinuntersah. Ein Blitz tauchte Eves Körper in grelles Licht.
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