BIANCA EXKLUSIV Band 0171
verräterischen Blick zu und nahm damit Monty die letzten Zweifel. Ihre Vorwürfe trafen zu. Zum zweiten Mal an diesem Abend wurde ihr klar, dass sie verraten worden war.
„Der Carlisle-Rubin!“, rief sie, als sie begriff, dass der Edelstein das letzte Teil des Puzzles war. „Es ging auch um ihn, nicht wahr? Als ich die Wette mit Stanton verlor und euch bat, mir den Rubin zu geben, bekamt ihr Angst. Denn ihr wusstet, dass ich ihn schätzen lassen und so herausfinden würde, dass er eine Fälschung ist. Eine wertlose Kopie des berühmten Rubins, der angeblich schon der Heiligen Johanna von Orléans gehört hat. Oder hast du dir das auch nur ausgedacht, Tante Jo?“
Sie hob die Hand, um ihrem Protest zuvorzukommen. „Ist ja auch egal. Der Punkt ist, ihr gerietet in Panik und beschlosst, den unseligen Carlisle-Fluch in die Tat umzusetzen. Weißt du, Edwin, ich hätte es wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Mir bedeuten Juwelen so wenig. Ihr hättet behaupten können, dass der Rubin schon immer eine Fälschung war. Ich hätte es euch geglaubt. Ich hätte mich mit Stanton darüber amüsiert, irgendeine andere Wette mit ihm abgeschlossen, und die Sache mit dem Rubin wäre vergessen gewesen.“ Sie fröstelte. „Und wenn ihr mich gebeten hättet, hätte ich euch alles gegeben, was ich besitze.“
Edwin stand regungslos und mit eisigem Gesicht da. Tante Josephine begann zu weinen. „Du glaubst doch nicht, dass wir dir schaden wollten“, begann sie, aber Edwin brachte sie mit einer Berührung zum Schweigen.
„Sag jetzt nichts mehr“, befahl er. „Monty wird ihre Anschuldigungen vor einem amerikanischen Gericht beweisen müssen. Sie sind so absurd, dass wir uns jetzt nicht länger mit ihnen auseinandersetzen sollten.“
Monty verbarg ihre Trauer, indem sie das Gesicht abwandte. Sebastian legte die Hand auf ihre Schulter. „Louis hat mich bewusstlos im Tunnel gefunden. Wir wussten, dass der Anschlag auf dein Leben in dieser Nacht stattfinden würde. Er und Charlotte sind zur Polizei gefahren und müssten bald wieder hier sein. Aber Eves Unfall muss sofort gemeldet werden.“ Sie brauchten ihre Beziehung nicht mehr zu verheimlichen, und Seb sprach sie nicht wie ein Gärtner, sondern als ihr Liebhaber an. „Wenn du möchtest, erledige ich das.“
„Ja, bitte“, flüsterte sie. Sie fühlte sich vollkommen kraftlos. Später würde sie sich um alles kümmern. Sie würde ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und sich der Verantwortung stellen, die ihr Name mit sich brachte. Sie würde ihr Leben ohne Menschen führen, die sie aufforderten, ihnen zu vertrauen. Doch dieses eine letzte Mal würde sie das Unangenehme einem anderen überlassen.
„Bitte“, wiederholte sie. „Tu alles, was nötig ist, Seb.“
Monty saß auf der zerbröckelnden Stufe des Pavillons und wünschte, Lilys Geist würde erscheinen und mit ihr sprechen. Lily war einst Mutter gewesen. Bestimmt hatte sie auch als Geist ihre Mütterlichkeit und das tröstende Wesen bewahrt. Vielleicht würde sie Verständnis dafür haben, wie einsam Monty sich fühlte.
So allein wie jetzt war sie noch nie gewesen. Jetzt hatte sie niemanden mehr. Keine Familie. Keine Freunde. Nicht einmal eine bezahlte Gesellschafterin. Sophie war in Tränen ausgebrochen, hatte sich an Milton geklammert und Monty vernichtende Blicke zugeworfen. Monty glaubte nicht, dass ihre Cousine von den Diebstählen und dem Mordplan gewusst hatte. Wie sie selbst, so war auch Sophie zum Opfer des Carlisle-Vermögens geworden.
Das Geld. Letzten Endes ging es immer um Geld. Wer würde glauben, dass ein Vermögen, wie sie es besaß, ein Fluch sein konnte? Dass einige Erbstücke, die ein Jahrhundert zuvor erworben worden waren, zur Zerstörung einer Familie und zum Tod einer irregeleiteten jungen Frau führten.
Monty versuchte, sich an den Tag zu erinnern, an dem Tante Josephine und ihr Ehemann Edwin in ihr Leben getreten waren. Erst viel später erfuhr sie, dass es der Tag gewesen war, an dem ihre Eltern beigesetzt wurden. Sie wusste nur noch, dass Tante Jo ihr einen großen Plüschbären in die Arme gelegt hatte. Sie mochte den Bären gar nicht, sagte es aber aus Höflichkeit nicht. Ein Spielzeug war kein Ersatz für lebende, atmende Eltern. Aber Tante Jo meinte es gut mit ihr.
Daran hatte Monty nie gezweifelt. Jetzt musste sie alles, was ihre Tante gesagt und getan hatte, in völlig neuem Licht sehen. Jedes liebe Wort war eine Lüge gewesen.
Der Wind ließ die wuchernden Hecken des
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