BIANCA EXKLUSIV Band 0173
in den Ruhestand gegangen.“
Vor Aufregung schlug Sherrys Herz mindestens doppelt so schnell. „Haben Sie ein Foto von dieser Mrs. Farley?“
„Natürlich. In einem der Jahrbücher.“
Das Jahrbuch. „Wann ist John Fletcher aus der Schule entlassen worden?“
„Moment mal.“ Mrs. Sellers tippte in ihre Tastatur. Eine Datei nach der anderen öffnete sich auf dem Bildschirm. „Hier.“ Sie drehte den Monitor zu Sherry hin, sodass sie selbst einen Blick darauf werfen konnte, und zeigte auf die entsprechende Zeile.
Fletcher musste ungefähr in Sin-Jins Alter sein. Sherry unterdrückte die Aufregung in ihrer Stimme. „Kann ich das Jahrbuch mal sehen?“
„Ja, natürlich.“ Die Frau erhob sich von ihrem Stuhl und krempelte die Ärmel ihres Pullovers hoch. „Kann aber einen Augenblick dauern, bis ich es gefunden habe.“
Die Suche in den Bücherregalen im hinteren Teil des Büros dauerte kürzer, als Sherry erwartet hatte. Triumphierend schob Mrs. Sellers das Jahrbuch über den Schreibtisch.
„Die Fotos der Entlassenen sind normalerweise in der Mitte.“ Das Telefon klingelte. Mrs. Sellers konnte sich nicht weiter um Sherry kümmern und ließ sie mit dem Jahrbuch allein.
Sherrys Hände zitterten, als sie das Jahrbuch ungefähr in der Mitte aufschlug. Sie atmete tief durch, als sie bei dem Buchstaben F angekommen war.
Eilig ließ sie ihren Blick über die Seite schweifen. Ihr Atem stockte.
John Fletcher hätte Sin-Jins jüngerer Bruder sein können. Oder Sin-Jin mit achtzehn Jahren.
Obwohl sie sich nicht viel davon versprach, blätterte sie zum Buchstaben A, aber es gab keinen Schulabgänger namens St. John Adair.
Sie schloss das Jahrbuch.
„Haben Sie ihn gefunden?“, fragte Mrs. Sellers.
Sherry erhob sich und ging zur Sekretärin hinüber. „Ja. Können Sie mir noch einen Gefallen tun und in Ihren Daten nachsehen, ob es einen Schüler namens St. John Adair bei Ihnen gegeben hat? Er hätte ungefähr um die gleiche Zeit entlassen werden müssen.“
Mrs. Sellers tippte den Namen ein und schüttelte den Kopf. „Nein. Einen Schüler mit diesem Namen haben wir hier nie gehabt. Tut mir leid.“
Doch, hattet ihr, widersprach Sherry insgeheim, aber damals hat er Fletcher geheißen. „Macht nichts“, murmelte sie leise und schaute ihr ledergebundenes Notizbuch an. „Sie haben gesagt, dass Sie auch Fotos vom Lehrkörper im Jahrbuch haben.“
„Hier.“ Mrs. Sellers schlug das Jahrbuch auf und fand auf Anhieb die richtige Stelle. „Das ist sie. Edna Farley.“
Tatsächlich. Es war Sin-Jins Mrs. Farley.
Sie begriff nicht.
Es lag auf der Hand, dass Sin-Jin seinen Namen geändert hatte. Er selbst war der mysteriöse John Fletcher. Aber warum? Soweit sie es nach einem eintägigen Aufenthalt beurteilen konnte, verbarg er keine Leichen im Keller. In Hathaway gab es keine ungelösten Mordfälle, die auf seine Spur oder auf die Spur seiner Eltern führten. Warum diese Geheimnistuerei?
Sie war den ganzen Nachmittag in der Stadt geblieben. Mrs. Sellers hatte ihr den Weg zum Haus der Fletchers gezeigt, oder besser gesagt, den Weg zu deren Anwesen.
Es lag außerhalb der Stadt und sah aus wie ein Schloss aus einem der vergangenen Jahrhunderte. Tatsächlich war es sogar ein Schloss gewesen. Sin-Jins Mutter hatte sich während der Flitterwochen in Europa in das Gebäude verliebt. Sein Vater hatte es in die USA transportieren und dort Stein für Stein wieder aufbauen lassen.
Victoria und William Fletcher waren das Paradebeispiel für ein Paar, das in keiner Hinsicht zusammenpasste. Außer ihrem Hang zum Luxus und ihrer Vorliebe für Partys hatten sie nicht viel gemeinsam. Deshalb hatten sie sich schnell wieder scheiden lassen und bald andere Partner geheiratet. Nicht nur ein Mal, sondern wieder und wieder. Beide stammten aus reichen Familien, und John Fletchers Eltern verfolgten kein anderes Ziel im Leben, als ihren Spaß zu haben. Es wunderte Sherry nicht, dass Sin-Jin in ihrem Leben keinen Platz hatte.
Kein Wunder, dass er sich so schnell mit Mom und Dad angefreundet hat, war es ihr durch den Kopf geschossen. Wer würde schon Nein sagen, wenn er die beiden als Eltern haben konnte?
Das Herz hatte ihr wehgetan, als sie auf den Flug wartete und an den kleinen Jungen dachte, der Sin-Jin gewesen war und der in dem kalten Schloss hatte aufwachsen müssen.
Schämte er sich für seine Eltern? Machte er deshalb aus seiner Vergangenheit ein Geheimnis?
Als der Flieger eine Dreiviertelstunde später landete,
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