BIANCA EXKLUSIV Band 0173
leiten, musst du auch schreiben und lesen können. Du musst außerdem rechnen und einen Computer bedienen können.“
„Kriegen wir einen Computer?“, fragte der Junge aufgeregt.
„Brittany hat auch einen“, erinnerte Amy. „Da sind Spiele drauf, und wenn ich bei ihr bin, sitzen wir immer davor.“
Brittany war die Tochter von Beths bester Freundin Dee Ann – drei Jahre älter als Amy und ihr großes Vorbild.
Beth brach es das Herz, ihre Kinder immer wieder enttäuschen zu müssen, aber sie ließ es sich nicht anmerken. „Irgendwann werden wir auch einen Computer haben, das verspreche ich.“ Sie brauchte einen für ihre Abrechnungen, aber auf der Liste der Dinge, die fehlten, stand ein Computer ziemlich weit unten. Seit einigen Jahren reichten die Einnahmen gerade aus, um den Kopf über Wasser zu halten. Vielleicht konnte sie einen gebrauchten PC für die Kinder auftreiben. Ja, sicher. Sie könnte ihn sich leisten, wenn er nicht mehr als zehn Dollar kostete.
„Schon gut, Mom.“ Matthew berührte ihre Hand. „Ich brauche keinen Computer.“
„Genau“, pflichtete Amy ihm bei. „Wir brauchen keinen.“
Mühsam schluckte Beth den Kloß in ihrem Hals herunter. Sie stand auf und gab den beiden einen Kuss. „Womit habe ich zwei so wunderbare Kinder wie euch verdient?“
Es war kurz nach neun, als Jack das Motel erreichte. Als er am Empfang vorbeifuhr, sah er eine Frau hinter dem Tresen stehen. Offenbar hatte Mr. Temple schon Feierabend. Er parkte vor seinem Zimmer. Außer seinem standen nur noch zwei weitere Wagen auf dem Hof. Na ja, es war ein Werktag. Er bezweifelte jedoch, dass an den Wochenenden mehr Leute hier abstiegen. Wer nach Rose Hill kam, war nicht auf der Durchreise, denn der Ort lag abseits der großen Highways.
Er schloss den Pick-up ab und ging zu seiner Zimmertür. Als er den Schlüssel ins Schloss steckte, hörte er hinter sich eine Stimme.
„Sie waren lange fort. Haben Sie sich ein paar Farmen angesehen?“
Jack wirbelte herum, ging automatisch in die Hocke und griff nach seiner Waffe … Die lag allerdings zusammen mit den anderen im Safe in der Stockwell-Villa. Hoffentlich hatte der alte Mann, der vor Zimmer fünf im Schatten saß, seine seltsame Reaktion nicht bemerkt.
„Ich habe Sie gar nicht gesehen“, erklärte Jack entschuldigend und ging zu Mr. Temple.
„Deshalb sitze ich ja so gern hier. Ich sehe alles, was vorgeht, aber niemand sieht mich. Ist sehr interessant.“
Soweit Jack erkennen konnte, ging im Motel nichts vor. Abgesehen davon, dass du den guten Mr. Temple erschießen wolltest, nur weil er dich angesprochen hat, schimpfte Jack mit sich selbst.
„Und? Haben Sie sich einige Farmen angesehen?“, wiederholte der Motelbesitzer neugierig.
„Ich war bei den Johnsons.“ Mr. Temple würde es ohnehin früh genug erfahren. „Ich werde eine Weile dort arbeiten.“
„Tatsache? Ich schätze, Bethie hat irgendwo Geld aufgetrieben. Letzte Woche hat sie noch gesagt, dass sie nicht weiß, wie sie diesen Sommer überstehen soll. Ich habe ihr gesagt, sie soll sich einen Kredit von der First National Bank holen, aber sie meinte, ihre Granny würde sich im Grab umdrehen, wenn sie eine Hypothek auf die Farm aufnimmt. Ihre Granny war strikt dagegen, jemandem etwas schuldig zu sein. Na ja, die meisten älteren Leute hier denken so, ich jedenfalls auch. Wir sind während der großen Wirtschaftskrise aufgewachsen und wissen noch, wie viele alles an die Banken verloren haben. Einschließlich unserer Eltern.“
Mr. Temple erzählte noch etwa zehn Minuten lang von den harten Zeiten, und als er endlich eine Pause machte, nutzte Jack die Gelegenheit und wechselte unauffällig das Thema. „Wie lange ist Mrs. Johnson denn schon allein? Sie haben ihren Cousin erwähnt, der nach Houston gegangen ist, aber was ist denn mit ihrem Ehemann?“
„Ach, der! Der ist schon lange weg, und das ist auch gut so. Eben ist im Juni vor einem Jahr umgekommen. Hat sich mit einem Neunachser angelegt. Er war betrunken. Voll bis über die Ohren. Wie immer. Eben liebte die Flasche mehr als alles andere.“
„Das muss schlimm für seine Frau gewesen sein“, vermutete Jack.
„Ja, die arme Bethie hat uns allen leidgetan. Ihre Granny hatte sie vor ihm gewarnt, aber sie wissen ja, wie die jungen Leute sind. Die müssen alles erst auf die harte Tour lernen.“
Mr. Temple ließ sich rund fünf Minuten über die Jugend von heute aus, bevor es Jack gelang, ihm eine gute Nacht zu wünschen, ohne
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