BIANCA EXKLUSIV Band 0180
du das auch genau?“
„Ich habe einmal bei Pflegeeltern gelebt, die Farmer waren.“
„Gab es im Pförtnerhaus oder im Hof denn kein Heu?“
„Was ich gesehen habe, war dreckig und zertrampelt. Würdest du etwa so etwas fressen?“, fragte Jack.
„Nein, aber ich bin auch keine Ziege.“
Plötzlich wurde ihm klar, warum die Ziege so laut meckerte. Warum war er nicht schon früher auf diese Idee gekommen!
„Sie muss gemolken werden“, sagte er. „Und Jessica kann dann ihre Milch trinken.“
Mariel blickte auf die leidgeplagte Ziege und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Wenn wir sie melken könnten, würden wir zweifellos eines unserer Hauptprobleme los sein. Aber ich bin in einer Großstadt aufgewachsen und habe in meinem ganzen Leben noch keine Ziege gemolken.“
„Ich sagte dir doch bereits, dass ich auf einer Farm gelebt habe“, beruhigte sie Jack.
Mariel lächelte. „Wenn das so ist“, erwiderte sie und trat zur Seite, „dann gehört sie ganz dir.“
„Zuerst müssen wir ihr Euter waschen“, entschied Jack beherzt.
„Womit?“
„Wasser und Seife. Ich habe beides in der Küche gesehen.“
„Ich sage es ja nur ungern, Jack, aber diese Ziege sieht nicht so aus, als würde sie es ohne Weiteres zulassen, dass du sie melkst“, erklärte Mariel. Sie hatte sich der Ziege vorsichtig genähert und kraulte nun behutsam den Kopf des Tieres. Die Ziege reagierte äußerst misstrauisch auf diese Geste. Sie tänzelte unruhig hin und her und warf Unheil verkündende Blicke in Jacks Richtung.
„Wie wäre es, wenn du Jessica ins Bett bringst, während ich versuche, mich mit der Ziege anzufreunden?“, sagte er und reichte Mariel das Baby.
Doch sie sollte recht behalten. Kaum war sie mit dem Baby in der Halle verschwunden, zeigte sich das Tier noch misstrauischer als zuvor, und trotz guten Zuredens kam Jack dem Euter nicht einen Zentimeter näher.
Als Mariel wenig später wieder im Türrahmen erschien, lief er immer noch erfolglos um die Ziege herum. Kaum hatte sie jedoch Mariel erblickt, trottete das Tier sofort auf die junge Frau zu.
Jack seufzte resigniert. „Sieh doch nur, Nelly scheint dich zu mögen. Warum führst du sie nicht in den Stall und hältst sie, während ich versuche, sie zu melken. Allein schaffe ich das nicht.“
„Nelly? Du nennst die Ziege Nelly?“
„Etwas Besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Sie muss doch einen Namen haben, wenn wir uns mit ihr anfreunden wollen.“
„Na, dann komm, Nelly“, sagte Mariel, hielt ihre Hand der Ziege entgegen und ging mit ihr über den Hof zum Stall.
„Sie bittet dich geradezu darum, endlich gemolken zu werden“, ermutigte Mariel Jack, als sie schließlich im Stall angekommen waren.
„Wenn das wahr ist, warum läuft sie mir dann immer weg“, erwiderte Jack resigniert, als die Ziege ihm schon wieder auswich.
„Ich halte ihren Kopf fest“, bot Mariel an und umfasste Nellys Hals. Die Ziege wehrte sich kurz und blieb dann stehen, aber als Jack sich mit dem seifigen Tuch ihrem Euter näherte, versuchte sie erneut, den beiden zu entkommen.
Mariel fiel in dieser Situation nur eines ein: Sie begann, für die Ziege zu singen.
„Stille Nacht, Heilige Nacht“, stimmte sie an, und kaum waren die ersten Töne verklungen, wurde Nelly brav wie ein Lamm.
„Hör nicht auf zu singen“, bat Jack, als er bemerkte, dass die Ziege von Mariels Stimme wie hypnotisiert war.
Er griff nach den beiden Zitzen, begann zu melken, und zu seiner Freude wurde er mit zwei Strahlen Milch belohnt, die geräuschvoll in den Blecheimer spritzten.
„Hast du das gesehen?“, fragte er aufgeregt. Prompt kickte Nelly gegen den Eimer und das bisschen Milch, das bisher geflossen war, schwappte über.
Unbeeindruckt melkte Jack weiter, und Mariel stimmte zur Abwechslung „Süßer die Glocken nie klingen“ an. Nach einer Weile hielt Jack triumphierend den Eimer hoch.
„Das hast du großartig gemacht“, erklärte Mariel, und Jack strahlte.
Sie fütterten Nelly mit Getreide, das sie in einem Sack in einer Ecke des Stalls gefunden hatten, und als sie zurück in den Saal gingen, legte Jack freundschaftlich den Arm um Mariel.
„Ich bringe schnell die Milch in die Küche“, erklärte sie.
„Nicht so schnell.“ Jack stellte den Eimer auf den langen Tisch und zog sie an sich. „Vorher will ich dir noch sagen, dass du die außergewöhnlichste Frau bist, die ich je getroffen habe. Ich kenne nicht allzu viele Frauen, die eine so
Weitere Kostenlose Bücher