BIANCA EXKLUSIV Band 0187
mit dem Hochzeitsmarsch.
„Lieber Himmel!“, rief Mary Anne. „Lass dir was einfallen!“
„Wir gehen gemeinsam zum Altar“, entschied Samantha. „Kommt!“ Sie hakte sich bei der lachenden Alice und der verlegenen Mary Anne unter und zog ihre Freundinnen mit sich.
Die Gäste starrten sie an, als sie zu dritt nach vorne marschierten. Es wurde reichlich eng. Mary Anne musste sich seitlich drehen, und Alice musste den Blumenhaltern an den Sitzreihen ausweichen.
Samantha wurde rot, bis Joey, der Auszubildende aus dem Büro, anerkennend pfiff und ihre Stimmung sich wieder hob. Eine Hochzeit sollte schließlich Spaß machen, oder nicht?
Der Geistliche blickte ihnen ziemlich verblüfft entgegen. Hank fiel offenbar nicht auf, dass etwas nicht stimmte. Er strahlte Samantha entgegen wie ein Hahn, der jeden Moment vor Stolz krähen wollte.
„Du siehst toll aus, Baby“, flüsterte er und ergriff ihren Arm.
„Wo ist dein Haupthaar geblieben?“, flüsterte sie zurück.
Er klopfte sich auf den kahlen Schädel. „Kleiner Unfall. Tut mir leid.“
Kann sich ein Finanzberater kein Reservetoupet leisten, fragte sie sich, doch da hatte der Pfarrer bereits begonnen.
Die Worte der Zeremonie hatte sie schon hundertmal in alten Filmen gehört. Endlich kam der Höhepunkt. „Willst du, Samantha, Hank zu deinem rechtmäßigen …“
Ihr Herz schlug schneller, und sie wollte weglaufen, doch so erging es bestimmt jeder Braut, wenn sie die Freiheit aufgab. „Ich will“, erklärte Samantha entschlossen.
„Und willst du, Hank …“
„Aber sicher“, antwortete er. „Darauf können Sie wetten!“
Konnte er sich nicht an die üblichen Worte halten? Hank hatte sein Toupet verloren und vergessen, sich mit ihr im Vorraum zu treffen. Womöglich hatte er auch noch den Ring verlegt!
Aber nein, Hank holte ihn aus der Tasche und schob ihn ihr mit einer großen Geste auf den Finger.
Der Ring war überraschend schwer und auch etwas zu groß. Hank hatte sie allerdings nicht nach ihrer Ringgröße gefragt, auch nicht nach ihren Lieblingssteinen.
Zuerst bezaubert und dann schockiert betrachtete sie die perfekte Einfassung aus Brillanten und den altmodischen, viereckigen Smaragd.
Hatte Hank einen gestohlenen Ring gekauft? Der Überfall hatte doch erst gestern stattgefunden!
Samantha bekam Angst. Ein Finanzberater ohne Kollegen bei der Hochzeit? Ohne Familienangehörige? Ohne Geld für ein Ersatztoupet?
Sie nahm den Ring ab und hielt ihn gegen das Licht. Die Inschrift lautete: Für Letitia, 1927.
Samantha wich zurück und wandte sich wütend an Hank. Er presste die Lippen aufeinander und musterte Samantha drohend.
„Lügner!“, schrie sie ihn an. „Du bist kein Finanzberater, sondern ein Juwelendieb!“
Sie warf ihm den Ring an den Kopf, raffte ihr Kleid und rannte zum Ausgang. Auf der Straße hielt sie einen erschrockenen Autofahrer an. Und plötzlich wusste sie, welchen Beweis die Polizei in dem Juwelierladen gefunden hatte.
Hanks Toupet!
2. KAPITEL
Vom Hügel aus wirkte die Baustelle auf Kieran French wie die Ruinen einer antiken Stadt. Allerdings handelte es sich um eine Stadt der Zukunft, nicht der Vergangenheit, und um das Ergebnis von fünf Jahren harter Arbeit. Und jetzt lief er Gefahr, alles zu verlieren.
Kieran wollte Hidden Hot Springs – die „Verborgenen Heißen Quellen“ – nicht aufgeben, sondern darum kämpfen, selbst wenn es seinen Ruin bedeutete.
„Machst du blau?“ Pete Zuniga, der Vorarbeiter, kam den Hang herauf.
„Ich träume nur vor mich hin.“ Kieran lächelte Pete, einem Freund vom College, entgegen. „Brauchst du mich?“
Pete betrachtete ihn amüsiert. „Ich bin sozusagen ein Abgesandter.“
Zwei Arbeiter namens Mack und Ernie kamen ebenfalls den Hang herauf. Lew Jolson, der Architekt des Projekts, folgte ihnen mit hochrotem Gesicht.
„Ist das vielleicht eine Palastrevolte?“, scherzte Kieran.
„Nein.“ Pete nahm die Mütze ab und wischte sich über die Stirn. Im Juni stieg das Thermometer schon über dreißig Grad. „Das heißt, nicht direkt.“
„Wir fühlen uns einsam“, erklärte Mack.
„Ach ja?“, fragte Kieran amüsiert. „Vermisst ihr mich so sehr?
Ich bin doch erst seit einer halben Stunde hier oben.“
Lew lachte. „Er hat nicht dich gemeint.“
Kieran ahnte, worauf es hinauslief. Die Männer schimpften, dass sie wegen der vielen Arbeit keine Zeit für Frauen hatten. Außerdem waren die meisten über dreißig, genau wie er selbst. Sie wollten keine
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