BIANCA EXKLUSIV Band 0188
brauchte nur in Charles Elliotts Rolle zu schlüpfen, um ein lebenswertes Leben zu finden, das er nie gehabt hatte? Alles, was er gefunden hatte, war ein Leben gefüllt mit Bitterkeit und Problemen, und eine Frau, deren sehnlichster Wunsch es zu sein schien, dass ihr Mann ihr nie mehr unter die Augen trat.
5. KAPITEL
Früh am nächsten Morgen verließ Sean in Jeans, einer legeren Bluse und Riemensandalen ihr Zimmer und ging nach unten. Im Arbeitszimmer brannte Licht, obwohl draußen die Sonne schien. Sean machte einen Schritt ins Zimmer hinein und blieb wie angewurzelt stehen.
Charles saß im Drehsessel hinter dem Schreibtisch, den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen, die Hände locker auf die Lederarmstützen gelegt. Sean näherte sich ihm leise. Der Computer war an, der Monitor voller Zahlenreihen, in denen Sean den Quartalsbericht der Niederlassung von San Antonio erkannte.
Sie musterte Charles. Im Schlaf war sein Gesicht weich, fast schutzlos. Der Anblick brachte Sean aus der Fassung, zugleich jedoch fand sie ihn unglaublich faszinierend. Die Andeutung eines Bartes zog sich wie ein dunkler Schatten um sein Kinn. Eine Haarlocke hob sich von dem weißen Verband an seiner Schläfe ab. Sean konnte sich gerade noch beherrschen, um die Locke nicht zurückzustreichen.
So zu fühlen hatte sie nicht erwartet oder es sich gewünscht. Beschützerinstinkte Charles gegenüber? Sie wollte auf der Stelle verschwinden. In diesem Moment schlug er die Augen auf. Und Sean wurde beklommen bewusst, dass er die ganze Zeit wach gewesen war und gewusst hatte, dass sie ihn betrachtete.
Sie zwang sich dazu, seinem Blick standzuhalten – abwartend. Nach einem Moment des Schweigens fragte Charles mit gedämpfter Stimme: „Wie spät ist es?“
„Kurz nach sechs. Warst du die ganze Nacht hier?“
Er strich sich mit den Fingern durchs Haar und sah dann auf. „Ja.“ Er zeigte auf den Monitor. „Zahlen können ganz schön langweilig sein.“
Sie verstand gar nichts mehr. Als sie Charles kennenlernte, war er zwar ein Arbeitstier gewesen. Aber schon bald nach ihrer Hochzeit hatte sich alles grundlegend verändert, nicht nur ihr persönliches Leben. Er hatte in der Firma getan, was er unbedingt tun musste, nicht mehr, nicht weniger. Dafür hatte er umso mehr Zeit damit verbracht, schönen Frauen nachzujagen. Charles war seitdem für sie uninteressant geworden. Sie hatte sich nicht mehr um ihn gekümmert.
Langsam glitt sein Blick über sie. „Wolltest du am Sonntag arbeiten?“
„Nein.“ Sie schaute aus dem Fenster in den klaren Julimorgen. „Ich wollte einen Spaziergang am Strand machen, bevor ich mit den Vorbereitungen für die Party beginne.“
„Party?“
„Die Party zum 4. Juli … heute Abend.“
„Kann sich Helen nicht darum kümmern?“
Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Helen?“
„Ich dachte, sie würde sich um die Party kümmern.“
„Woher weißt du von Helen?“
Er starrte sie an. „Wie bitte?“
„Sie arbeitet erst seit zwei Wochen für mich.“
Nach einer kurzen Schrecksekunde winkte er mit einer Hand ab. „Die Notiz, die du für sie hinterlassen hast. Ich habe sie gelesen, als ich nach Hause gekommen bin. Und ich bin davon ausgegangen, dass Helen die neue Haushälterin ist.“
Er wusste wirklich genauso wenig von ihr wie sie von ihm. „Ich habe hier bisher noch nie eine Haushälterin gehabt.“
„Natürlich, ich habe nur gedacht …“
„Vergiss es. Ich weiß, der Alltag in diesem Haus steht ganz unten auf deiner Interessenliste. Und ansonsten …“ Sie brach ab. „Vergiss es einfach.“
„Ich habe dir gesagt, dass ich Schwierigkeiten habe, mich an manches zu erinnern. Ich …“
„Vergiss es, Charles.“ Wenn er doch nur mit diesen seltsamen Entschuldigungen aufhören würde! Es verstärkte nur wieder ihren Verdacht, dass er aus einem ganz besonderen Grund hier war, aus einem Grund, der nur etwas mit ihm zu tun hatte und mit sonst niemandem und nichts. Eine niederdrückende Wahrheit.
„Warum bist du so früh auf?“
„Ich stehe immer früh auf.“
Er verzog das Gesicht. „Wieder ein Patzer, was?“
Was sollte das alles? Sean hatte im letzten Jahr kaum einen Gedanken an Charles verschwendet, und sie würde es nicht zulassen, dass sich das jetzt änderte. „Unwichtig. Ich mache jetzt einen Spaziergang. Helen kommt gegen sieben.“
Er stand auf und ging zur Tür. „Warte hier“, sagte er über die Schulter. „Ich bin sofort wieder unten.“
„Worauf soll ich
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