Bianca Exklusiv Band 229
riss sie die Augen auf, als er dem Fahrer ihr Ziel nannte. „Ich kann nicht ins ‚Majestic‘ gehen“, wehrte sie entsetzt ab. „Das ist noch eleganter als das Ritz. Ich war noch nie in so einem Lokal.“
„Dann wird es höchste Zeit.“
„Seien Sie nicht albern. So, wie ich angezogen bin, kann ich da nicht reingehen.“
„Steigen Sie ein“, drängte er.
Widerstrebend befolgte sie die Aufforderung. Das Taxi brachte sie fort von der schäbigen Umgebung in die Innenstadt, wo die Schaufenster leuchteten und die Restaurants glitzerten. Sie presste die Nase an die Fensterscheibe und guckte sich mit glänzenden Augen um. Er fragte sich, wie oft ihr wohl etwas Gutes widerfuhr.
An diesem Tag hatte er so viele neue Dinge entdeckt, dass er seinen Horizont als voll ausgeweitet betrachtete und glaubte, dass es nichts mehr für ihn zu lernen gab.
Doch er irrte sich. Denn das ‚Majestic‘ bot ihm eine Erfahrung, die er nie zuvor gemacht hatte und nie wieder zu machen hoffte.
Ein Türsteher in extravaganter Livree öffnete ihm den Wagenschlag und verbeugte sich mit einem unterwürfigen Lächeln, das jedoch verschwand, sobald er Dottie erblickte. „Es tut mir sehr leid, Sir“, sagte er zu Randolph, so als wäre sie nicht existent, „unser Restaurant hat eine kleine Vorschrift. Damen müssen Röcke tragen.“
„So ein Unsinn!“, rief Randolph ungehalten.
„Ich fürchte, die Regel kann nicht gebrochen werden, Sir.“
Nur die lebenslange Gewohnheit, vor dem Sprechen zu denken, hielt ihn davon ab zu verkünden, wer er war. Prinz Randolph ging, wohin es ihm beliebte, und Restaurantbesitzer buhlten um seine Gunst. Dotties verkrampftes Lächeln verriet ihm, wie verletzt sie war, und plötzlich ärgerte er sich maßlos über sich selbst, weil er ihre Einwände einfach abgetan hatte.
Sanft nahm er sie am Arm. „Kommen Sie. Dieses Lokal entspricht nicht unseren Anforderungen. Wir suchen uns etwas Besseres.“
Der Türsteher plusterte sich auf wie ein Pfau.
Schweigend ging Dottie neben ihm her. Er wollte gerade etwas Tröstendes sagen, als sie losprustete. „Sein Gesicht war köstlich!“
„Es war in der Tat sehenswert“, pflichtete er ihr bei und dachte dabei an andere Frauen seiner Bekanntschaft, die ihn mit Schmollen bestraft hätten.
Dottie fühlte sich wie im siebten Himmel und genoss den ersten Ausflug seit Jahren in vollen Zügen. Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie das vornehme West End besucht hatte – als Kind mit ihrem Großvater, der ihr den Weihnachtsmann in einem der eleganten Geschäfte gezeigt hatte. Nun fühlte sie sich fast genauso.
Ein Stückchen weiter die Straße entlang fanden sie ein Restaurant, das sich in jeder Hinsicht von dem ‚Majestic‘ unterschied – abgesehen von den Preisen, die sogar noch höher waren. Es war ein Imperium der Nouvelle Cuisine und supermodern und schick eingerichtet.
„Dürfen wir eintreten?“, fragte Randolph den Mann in Jeans und Hemd, der an der Tür lehnte.
Er deutete auf die Speisekarte mit den unverschämten Preisen. „Haben Sie genug Kohle?“
„Er hat die Kohle“, erwiderte Dottie, als sie Randolphs verblüffte Miene sah.
„Kohle?“, hakte er nach, als sie eintraten.
„Geld.“ Ein entsetzlicher Gedanke kam ihr. „Sie haben doch genug Kohle, oder?“
„Ich glaube, ich kann ein paar Briketts aufbringen.“
Der Kellner führte sie an einen Tisch am Fenster, das einen Ausblick auf die Themse bot. Er zog einen Stuhl für Dottie hervor.
„Ich kann mich nicht hinsetzen“, flüsterte sie Randolph zu. „Er hält ihn zu weit weg vom Tisch.“
„Vertrauen Sie ihm“, riet er. „Er wird ihn schon heranrücken, wenn Sie Platz nehmen.“
Zögernd beugte sie die Knie und wirkte erleichtert, als sie sicher auf der Sitzfläche landete.
„Offensichtlich kennen Sie die Geschichte der Kaiserin Eugenia nicht“, bemerkte Randolph amüsiert.
„Wer ist das?“
„Sie lebte Mitte des 19. Jahrhunderts und heiratete den französischen Kaiser Napoleon III. Aber sie war ein Parvenu.“
„Ein was?“
„Ein Emporkömmling. Sie war nicht von königlicher Geburt. In ihren Memoiren beschreibt sie, wie sie und ihr Mann mal eine Loge in der Oper mit Königin Victoria teilten. Als sie sich setzten, blickte sie hinter sich, um den Stuhl zu sehen. Aber Victoria blickte nicht zurück. Sie wusste einfach, dass der Stuhl an der richtigen Stelle stehen würde, weil es für sie immer so gewesen war. Eugenia schrieb, dass sie damals den
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