Bianca Exklusiv Band 243
wirklich dachte, sprach sein Gesichtsausdruck doch Bände.
Denn es gefiel ihm ganz und gar nicht, was er da sah.
Annabelle hatte in letzter Zeit stark abgenommen. Sie hatte einfach keine Zeit gehabt, vernünftig zu essen, und der Stress bei der Arbeit war groß gewesen, da sie unbedingt versuchen musste, aus den roten Zahlen zu kommen. Sie hatte schon viele kritische Situation in ihrem Leben gemeistert, den frühen Tod der Eltern, das Verlassen der Schule, damit sie sich ganz um die kleinere Schwester kümmern konnte, sowie die Gründung einer eigenen Firma. Da würde sie es auch dieses Mal schaffen, wieder auf die Beine zu kommen.
Sie hatte immer stark sein müssen, aber die letzten Wochen waren wirklich zu anstrengend gewesen …
Annabelle legte das Sandwich zurück. Sie fühlte sich unendlich schwach. Zu vieles war über sie hereingebrochen. Jetzt war sie müde, einfach nur noch müde. Wenn sie nur einmal alles um sich herum vergessen dürfte! Fast erschrak sie bei diesem Gedanken. Sie war doch immer eine Kämpferin gewesen! Auf einmal jedoch wurde ihr klar, was das schlimmste war: Sie fühlte sich unglaublich einsam.
Als Adam ihr vorhin das Haar aus der Stirn geschoben hatte, war sie unter seiner Berührung erzittert. Seine bloße Nähe ließ ihr Herz rasen.
Sie brauchte ihn gar nicht anzuschauen, da sie genau wusste, was sie sehen würde. Seinen besorgten Blick. Das war vielleicht das einzige, was ihr die ganze Zeit über klar gewesen war. Kein Zweifel, Adam war für sie da. Was auch immer geschehen würde.
Nachdem ihre Eltern gestorben waren, hatte Annabelle oft abends allein dagesessen. Lia war schon im Bett, und im Haus herrschte eine fast unheimliche Stille. Adam war dann oft vorbeigekommen, hatte ihr zugehört, wenn sie von ihren täglichen Sorgen berichtete, oder einfach nur geschwiegen, wenn ihr nicht nach Sprechen zumute war. Genau das hatte sie damals gebraucht. Einen Freund, dessen Zuneigung bedingungslos war.
Jetzt aber stand sie wieder vor einer ähnlichen Situation wie damals. Alles, was sie aufgebaut hatte, schien in sich zusammenzufallen. Wie nach einem Erdbeben waren die Fundamente des Hauses aufgerissen, und wenn sie nicht alles tat, was in ihrer Macht stand, konnte das ganze Gebäude einstürzen.
Adam würde ihr selbstverständlich seine Hilfe und Freundschaft anbieten. Doch Annabelle würde alles daransetzen, ihm zu widerstehen, da sie genau wusste, dass er nicht blieb.
Wie bei einer Diät. Wer abnehmen will, darf nicht ein einziges Stück Schokolade essen, weil sonst die Lust darauf übermächtig wird. Die Freundschaft, die Adam zu bieten hatte, dauerte jeweils nur einen Tag oder eine Woche. Vielleicht gar mehrere Monate. Doch dann verließ er Annabelle wieder, und sie musste von vorn beginnen, zu lernen, wie man einen Tag ohne ihn verbringen konnte.
„Was hast du nur, Belle? Du bist nervös und angespannt und isst nicht genug.“ Adam hatte ruhig gesprochen, doch Annabelle spürte genau, dass er sich nicht so einfach abwimmeln lassen würde.
„Ich esse sehr wohl genug!“
„Kopfschmerztabletten, das ist alles, was du zu dir nimmst“, stellte er unzufrieden fest. „Rück endlich raus mit der Sprache.“
„Es gibt nichts zu erzählen. Ich war nur sehr …“
„Angespannt, ich weiß.“ Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Wenig später hatte seine Stimme wieder einen mitfühlenden Tonfall angenommen.
„Annabelle, ich habe von der Sache mit Steven erfahren.“
Er sagte nichts weiter, einfach nur, dass er davon gehört habe. Was sollte Annabelle dazu sagen? Steven war der Meinung gewesen, dass sie nicht zusammenpassten, aber das war seine Entschuldigung gewesen, nicht ihre. Annabelle war stets der Meinung gewesen, dass sie sich gut verstanden, sonst hätte sie niemals in die Verlobung eingewilligt. Und mehr noch, sie war fest davon überzeugt gewesen, dass sie glücklich werden und mindestens bis zur silbernen Hochzeit zusammenbleiben würden. Doch dann war alles anders gekommen. Und jetzt stand sie verlassen und erniedrigt da.
„Möchtest du darüber sprechen?“
„Nein.“
„Aber vielleicht darf ich dir eine Frage dazu stellen?“ Adams Stimme klang sanft und mitfühlend.
„Ich möchte wirklich nicht darüber reden.“
„Hast du niemals daran gedacht, dass ich mir viele Gedanken darum machen könnte, ob es dir gut geht oder nicht? Im Gegensatz zu dem, was du anscheinend glaubst, kann ich nicht Freundschaft schließen oder lösen, wie man das Licht an- oder
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