Bianca Exklusiv Band 243
ausmacht. Jedenfalls nicht so wie du.“
„Ich?“
„Ja, du.“ Adam musterte die junge Frau eindringlich. „Ich weiß, Belle, wir haben damals vor sechs Jahren einen Fehler gemacht. Aber deshalb muss unsere Freundschaft doch nicht auseinanderbrechen, oder?“
Einen Fehler nannte er das! Annabelle hatte das Gefühl, dass sie keine Luft mehr bekommen würde. Was sollte sie nur davon halten? Sie war unglaublich verwirrt. Wenn sie sich bloß ihrer Gefühle klar werden könnte …
„Ich habe deinen Eltern viel zu verdanken“, fuhr Adam fort. „Ist es dir da niemals in den Sinn gekommen, es könnte mir daran gelegen sein, dass es dir gut geht?“
Mehr als einmal hatte sie daran gedacht. Und vor sechs Jahren hatte sie sich immer wieder die Frage gestellt, ob die Zuneigung, die Adam ihren Eltern entgegengebracht hatte, der einzige Grund dafür war, dass er sich so rührend um sie gekümmert hatte.
Sie sah ihm in die Augen und erkannte die tiefe Sympathie, die darin lag. Ein zärtlicher, fast liebevoller Blick. Und wieder überkam Annabelle diese schmerzende Sehnsucht. Sie atmete tief durch, doch dann zuckte sie zurück. Auf keinen Fall durfte sie sich ihren Gefühlen hingeben. Innerlich rief sie sich zwei Worte zu, die sie in den letzten sechs Jahren immer wieder betont hatte: Niemals wieder !
Annabelle räusperte sich. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: „Ich brauche keinen großen Bruder, Adam. Lia geht es gut, und ich werde in einigen Tagen auch wieder auf dem Damm sein.“
„Du machst es einem verdammt schwer, ein guter Freund zu bleiben“, gab Adam zurück. „Warum?“ Lange Zeit herrschte Stille. Annabelle konnte einfach nicht antworten. Sie hatte das Gefühl, dass sein Blick sie durchbohrte. „Jeder Mensch braucht einen Freund, und du auch, Belle.“
„Nein.“
„Sicher?“
Die junge Frau schüttelte den Kopf. Sie kämpfte gegen die Tränen, als sie sagte: „Du hast Lia zwar versprochen, hier bei mir zu bleiben, aber offen gestanden möchte ich lieber allein sein.“
Einen Augenblick sah sie Ärger in seinen Augen aufblitzen, doch dann versteckte er sich hinter einem kühlen Lächeln.
„Ich habe den Eindruck, als hätten wir diese Szene schon öfter durchgespielt“, erklärte er ruhig. „Ich weiß also, dass du es ernst meinst. Sag Lia bitte, dass sie mich jederzeit erreichen kann, wenn es nötig ist. Und meine Einladung zum Abendessen gilt natürlich auch für dich.“ Er stand auf und warf der jungen Frau einen langen, nachdenklichen Blick zu. „Bis bald, Belle.“
Annabelle hielt sich steif wie eine Statue, während sie hörte, wie ihr Nachbar das Haus verließ. Als die Tür zuschlug, versuchte sie sich einzubilden, dass sie zufrieden sei. Doch der einzige Grund, weshalb er einige Zeit in der Stadt bleiben würde, war sein gebrochenes Bein. Sobald das verheilt war, würde er wieder auf Reisen gehen. Die Sehnsucht nach den Weltmeeren und fernen Ländern war einfach zu stark.
Und er hatte wohl endlich eines verstanden: Annabelle brauchte niemanden, der in ihr Leben trat, um schon kurze Zeit darauf wieder zu verschwinden. Das hatte sie ihm hoffentlich deutlich gemacht.
Die junge Frau nahm das Sandwich und biss herzhaft hinein. Sie hatte sich fest vorgenommen, wieder zu Kräften zu kommen. Schließlich ging es darum, das Geschäft in die schwarzen Zahlen zu bringen, um Lia das Studium an der berühmten Schule zu ermöglichen. Und dann würde sie ihr eigenes Leben leben. Vielleicht sollte sie sich neue Freunde suchen. Richtige Freunde. Solche, die man anrufen konnte, damit sie auf eine Tasse Kaffee vorbeikamen, wenn es einem schlecht ging. Nicht solche Freunde, die immer wieder verschwanden und einen dann einsam und traurigen Herzens zurückließen.
Annabelle legte das Sandwich zurück. Die Gewissheit, dass Adam doch wieder verreisen würde, machte sie unendlich traurig. Trotz aller Versuche, positiv zu denken, spürte die junge Frau, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen.
3. KAPITEL
Adam kehrte unzufrieden zu sich nach Hause zurück.
Er trat in die Küche, schaute sich kurz um, schenkte ein Glas Wasser ein und ging dann ins Wohnzimmer hinüber. Dort blieb er einen Moment lang unschlüssig stehen, bevor er die Haustür öffnete und auf die Veranda hinaustrat.
Es war noch früher Nachmittag. Das Wetter war kühl und regnerisch, am Himmel hingen dicke Wolken, und die Sonne schien immer nur wenige Augenblicke, bevor sie wieder im dichten Grau verschwand. Adam
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