Bianca Exklusiv Band 243
ihr durch die Locken gefahren war, sie sanft zurückgestrichen hatte, um ihr ins Gesicht zu sehen. Die Erinnerungen daran wurden immer deutlicher. Die Hand, ein Gesicht, schließlich seine Gestalt …
Annabelle riss die Augen auf und sah, dass Adam sich über sie beugte.
Wie ein Springteufel schnellte sie hoch und stieß mit der Stirn gegen seine Nase.
„Verdammt!“, rief er aus, doch auch Annabelle hatte sich wehgetan. Lia stand daneben und betrachtete sorgenvoll die Szene.
„Ich glaube, sie kommt zu sich“, sagte Adam zu ihr.
„Ach, Annabelle, geht es dir wieder besser?“ Das Mädchen kniete sich neben ihre große Schwester. „Was ist denn bloß los?“
In Lias Stimme waren deutlich die Sorgen zu hören, die sie sich machte. Annabelle wollte sie beruhigen und versuchte, sich aufzustützen. Sofort reichte Adam ihr eine Hand, um sie zu stützen. Doch sie fühlte sich einfach noch zu schwach. Ohne nachzudenken, ließ sie sich wieder in die Kissen zurücksinken.
Adam schob ihr den Arm unter die Achselhöhlen und zog sie langsam zu sich. Es fiel ihr unglaublich schwer, doch endlich gelang es ihr, sich aufzusetzen. Kaum aber öffnete sie die Augen, drehte sich schon das ganze Zimmer um sie.
„Lehn dich an mich“, sagte Adam.
„Danke, es geht schon wieder besser.“
„Lia, gib mir ein Kissen.“ Er schob es Annabelle hinter den Nacken, sodass sie sich anlehnen konnte. Dann wandte sich Adam an ihre Schwester: „Vielleicht machst du eine Tasse Tee, Lia. Ich glaube, Annabelle könnte eine Stärkung gebrauchen.“
Lia stand etwas abseits und schaute unsicher auf ihre Schwester. Was nur sollte sie tun? Es schien Annabelle wieder etwas besser zu gehen, aber konnte sie sich da sicher sein? Adam bemerkte, wie das Mädchen zögerte, und gab ihr einen freundschaftlichen Klaps.
„Sie wird schon wieder auf die Beine kommen“, versicherte er. Doch Lia schien immer noch sehr unruhig. Bestimmt war es besser, wenn sie nicht untätig blieb. „Also“, warf Adam ihr zu. „Wie sieht es aus mit dem Tee? Und etwas zu essen würde uns auch nicht schaden.“
Lia nickte so heftig mit dem Kopf, dass ihr Pferdeschwanz hin- und herflog. Sie rannte aus dem Zimmer, und Adam konnte sich endlich wieder der schmalen, blassen Frau an seiner Seite zuwenden. Offenbar wollte sie sich dagegen wehren, doch Adam ließ keine Widerrede zu. Schon gleich, als er vorhin eingetreten war, hatte er gesehen, wie abgearbeitet und übermüdet sie war.
Immer schon hatte Annabelle einen zerbrechlichen Eindruck gemacht. Man hatte stets das Gefühl, dass man sie in die Arme nehmen und beschützen müsste, doch wenn man sie einmal näher kennenlernte, verstand man schnell, dass in Wirklichkeit sie diejenige war, die den anderen half.
Schon als Teenager war ihr die Rolle zugefallen, sich um den gesamten Haushalt zu kümmern. Sie hatte früh Verantwortung getragen, sowohl für die Finanzen als auch für die täglichen Einkäufe und die Erziehung ihrer jüngeren Schwester. Ihre Eltern waren Künstler gewesen, die niemals verstanden hatten, das praktische Leben zu meistern. Adam hatte es bei Annabelles Eltern deshalb besonders gut gefallen, weil sich ihre Lebenseinstellung sich so vollkommen von der seiner eigenen Eltern unterschied. Jack und Lilah Simmons legten wenig Wert auf Ordnung und Lebensplanung. Was für sie zählte, war, jeden Moment so intensiv wie möglich zu erleben. Sie wollten, dass ihre Kinder frei waren, doch Adam musste einsehen, dass diese Erziehung für Annabelle nicht das richtige gewesen war.
Er schaute die junge Frau an und bekam ein schlechtes Gewissen, da er nicht so lange hätte wegbleiben dürfen.
Inzwischen hatte sie die Augen wieder geschlossen, und er fragte sich, ob sie wohl bei vollem Bewusstsein war. Er saß dicht neben ihr auf dem Sofa und schob sich noch ein wenig näher an sie heran. Als sich ihre Hüften berührten, zuckte sie kurz zurück.
Sorgenvoll musterte er ihren schlanken Körper von den Beinen hoch bis zum Brustkorb.
„Sag mal, hast du heute schon etwas gegessen?“
Sie schlug die Augen auf und sah ihn unsicher an. „Zwei Kopfschmerztabletten.“
„Das scheint mir nicht gerade sehr nahrhaft zu sein.“
Adam fühlte sich merkwürdig. Es war schon beängstigend gewesen, als sie so plötzlich zusammengebrochen war, doch der Vorfall hatte darüber hinaus noch andere, intensivere Gefühle in ihm ausgelöst. Jedenfalls hatte sein Herz auf einmal erstaunlich schnell geschlagen.
Eine spöttische
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