Bianca Exklusiv Band 87
Mazzardi konnte sie nicht so einfach gefangen halten, jedenfalls nicht ohne bewaffneten Wächter. Es würde ein Kinderspiel sein, von der Insel fortzukommen.
„Haben Sie gehört, was ich sagte?” fragte Max finster.
„Ja, sicher. Aber mit so etwas können Sie mich nicht einschüchtern, Mr. Mazzardi. Mit Typen wie Ihnen bin ich auch vorher fertig geworden.”
„So?”
Lucy nickte. „Hm. Mit wichtigtuerischen so genannten Amtspersonen, die ihre Regeln und Vorschriften für unumstößlich halten und ihre Machtgelüste an alten Leuten ausprobieren, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst durchzusetzen. Einschüchterungsversuche bin ich gewöhnt.”
„Sie haben die Maske des armen, verirrten Mädchens aber erstaunlich schnell abgelegt”, bemerkte Max ironisch.
„Ja, nicht wahr?” Lucy blickte ihn nachdenklich an. „Und jetzt verraten Sie mir, warum ein reicher Mann wie Sie sich als zerlumpter Bootsmann maskiert und seine Motoren selbst repariert? Sie brauchen doch nur mit den Fingern zu schnippen, und einer Ihrer Angestellten springt. Oder hatten Sie gestern Ihre Peitsche verlegt?”
In Max’ Augen trat ein amüsiertes Funkeln, das rasch wieder verschwand. „Ich brauche keine Peitsche. Ich beherrsche andere durch meine Persönlichkeit. Im Übrigen finde ich es angebracht, mir ab und zu die Hände schmutzig zu machen. Außerdem war es ein schöner Tag, und der See lockte. Da hatte ich das Bedürfnis, dem Papierkram und dem ständig klingelnden Telefon eine Weile zu entfliehen. Auch böse Sklaventreiber müssen gelegentlich ausspannen.”
Lucy nahm sich gelassen ein zweites Croissant. „Es freut mich, dass Sie sich mit Ihrem Charakter auseinander setzen. Das könnte der erste Schritt zur Besserung sein.” Sie war selbst erstaunt, wie sie mit diesem befehlsgewohnten Mazzardi sprach, aber er hatte sie herausgefordert. Nun sollte er ruhig hören, was sie von ihm hielt.
Max lachte leise. „Also, ich glaube, es wird mir richtig Spaß machen, Ihr Gefängniswärter zu sein”, erklärte er mit einem anzüglichen Unterton in der Stimme.
Lucy wurde unbehaglich. Mazzardi hatte eine falsche Meinung von ihr, und es war ihm zuzutrauen, dass er versuchte, sich bei ihr etwas herauszunehmen. Da war es klüger, vernünftig mit ihm zu reden. Lucy schenkte sich Kaffee nach und blickte Max an. „Sie hätten mir sagen können, wer Sie sind. Warum haben Sie mich nicht einfach abgewiesen, statt mich in Ihrem Boot mitzunehmen?”
Max runzelte die Stirn. „Ich wünschte, ich hätte es getan”, erwiderte er barsch. „Aber Sie erschienen mir so hilflos, und ich hielt es für besser mitzuspielen, um Sie nicht in Verlegenheit zu bringen.”
„Wie nett von Ihnen.”
„Das war es auch!”
„Gehörte das Flirten auch zum Nettsein?” fragte Lucy. „Hatten Sie das Gefühl, dass das von Ihnen erwartet wurde?”
Max antwortete nicht und wirkte einen Augenblick verunsichert. Dann presste er die Lippen zusammen. „Ja.”
Lucy war traurig. Sie hatte also richtig vermutet. Zwischen ihnen war kein Funke übergesprungen. Für Max war die Episode nur ein Spiel gewesen, auf das er sich aus einer Laune heraus eingelassen hatte.
„Sie hätten mich aber nicht auch noch zum Abendessen einladen müssen”, fuhr Lucy leise fort. „Wollten Sie auf diese Weise mehr über mich in Erfahrung bringen, oder war Ihr Bett gerade leer, und Sie hielten mich für eine schnelle Eroberung?”
Max’ Miene war ausdruckslos. „Ich hatte gerade nichts vor.” Darauf wusste Lucy nichts zu antworten.
„Hören Sie, Lucy.” Max stand auf, trat ans Fenster und drehte sich langsam um. „Wir haben jetzt eine ganze Weile mit Ihrem Frage-und-Antwort-Spiel verbracht. Sie haben eine sehr geschickte Art, mich hinzuhalten.”
„Was … meinen Sie damit?”
„Ihre Schwester hat sich aus dem Staub gemacht, und ich möchte von Ihnen wissen, wo sie ist. Es wäre besser für Selina und Renzo, wenn wir sie zurückholen würden, ehe sie etwas Verrücktes anstellen.”
„Wie zum Beispiel heiraten?” parierte Lucy.
Max erbleichte, doch dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Er kam an den Tisch zurück und setzte sich wieder. „Eine Heirat zwischen den beiden wäre eine Katastrophe. Sie passen überhaupt nicht zueinander …”
„Selina hat mir gleich gesagt, dass Sie ein Snob sind”, bemerkte Lucy.
„Das wird ja immer schöner!” Max schlug mit der Faust so hart auf den Tisch, dass das Geschirr klirrte.
„Sie hat mich auch vor Ihren
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