Bianca Exklusiv Band 87
eigentlich unmöglich. Sie hatte ihn mit allen Tricks und Raffinessen einer Kurtisane getäuscht. Max presste die Lippen zusammen. Dafür sollte sie büßen!
Die Uniform war schmeichelhaft. Ihr zurückhaltendes Graublau bildete einen eindrucksvollen Kontrast zu Lucys rotem Haar. Der schlichte enge Rock war aus kühlem Leinen, was Lucy als angenehm empfand, denn bereits jetzt wurde es in der Dachkammer heiß und stickig, obwohl die Fenster weit geöffnet waren. Da Lucy sich in dem kleinen Spiegel nicht richtig sehen konnte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um die Wirkung des kragenlosen Oberteils mit den kurzen Ärmeln und dem breiten Gürtel besser begutachten zu können.
Lucy lächelte. Die Uniform, über die Selina sich so abfällig geäußert hatte, verlieh ihr ein adrettes, professionelles Aussehen. Lucy bürstete sich das Haar zurück und band es im Nacken mit einem schmalen Seidenband zusammen, das sie in einer Schublade gefunden hatte.
Das musste genügen. Da der ungeduldige Mazzardi unten wartete, musste sie sich beeilen, denn die Viertelstunde war fast um. Während Lucy über die endlos erscheinenden Stufen nach unten huschte, überlegte sie, wie wenig die primitive Dachkammer und die tägliche anstrengende Treppensteigerei nach Selinas Geschmack gewesen sein mussten.
Als Lucy um die Gebäudeecke bog, entdeckte sie Max Mazzardi auf der Terrasse.
Gedankenverloren, die Hände in die Hosentaschen geschoben, ging er mit gesenktem Kopf auf und ab. An seiner Haltung und der Art, wie er sich bewegte, erkannte Lucy, dass er immer noch wütend war.
Sie wappnete sich und ging auf ihn zu. Er hatte inzwischen genug Zeit gehabt, um sich zu überlegen, wie er ihr das Leben schwer machen konnte. Lucy beschloss, ihre Taktik zu ändern. „Die Uniform ist sehr schick”, lobte sie. „Sie haben einen guten Geschmack, Mr. Mazzardi.” Männern wie ihm gingen Schmeicheleien herunter wie Honig.
„Die habe nicht ich ausgesucht, sondern mein Vater.” Max machte ein finsteres Gesicht.
Lucy zögerte. „Sind Sie zu seiner Beerdigung hergekommen?” Ihr war eingefallen, dass Max ihr erzählt hatte, sein Vater sei gestorben.
„Nicht zur Beerdigung”, erwiderte Max grimmig. „Ich wurde erst später geholt, als offenbar wurde, dass es nicht ratsam ist, Renzo die Zügel in die Hand zu geben. Aber jetzt an die Arbeit. Ich habe eine Menge zu tun.”
Max Mazzardi führte Lucy in atemberaubendem Tempo durch die ausgedehnten Räumlichkeiten des Palazzo. Bereits nach wenigen Minuten hatte Lucy das Gefühl, sich nicht einmal einen Bruchteil dessen merken zu können, was Max ihr erzählte.
„Hören Sie, ich weiß nicht, ob Sie das absichtlich tun, aber das kann ich unmöglich alles behalten”, erklärte sie schließlich. „Das ist viel zu viel auf einmal. So ein gutes Gedächtnis habe ich nicht. Wenn Sie wollen, dass ich meine Arbeit gut mache, brauche ich ein Notizbuch oder ein Tonbandgerät, um alles festzuhalten, was Sie mir vortragen.”
„Keine Sorge. Eine weitere Niete kann ich mir nicht leisten”, erwiderte Max kühl. „Ich versuche nur, Ihnen einen Gesamtüberblick über den Palazzo und seine Geschichte zu geben. Danach begleiten Sie mich auf einer Schlossführung und passen genau auf, wie ich die Gruppen führe, wie ich die Fragen der Leute beantworte, mit Kindern umgehe, die klebrige Finger haben und so weiter. Alles, was Sie wissen müssen, ist in einer kleinen Broschüre enthalten. Sie werden den Text in Ihrer Freizeit auswendig lernen.”
„Habe ich denn Freizeit?” fragte Lucy herausfordernd.
Max lächelte ironisch. „Ich könnte dafür sorgen, dass das nicht der Fall ist.”
„Nein!”
„Sie sollten Ihre Mittagspause dazu verwenden, Ihre restlichen Sachen aus dem Hotel zu holen”, sagte Max und betrat den nächsten Raum.
„Meine Sachen?” wiederholte Lucy verständnislos. Im gleichen Augenblick fiel ihr ein, dass er von Selinas Schandtat ja nichts wusste. „Oh, ja, natürlich.”
„Bezahlen Sie die Hotelrechnung und bringen Sie Ihre Habe gleich, mit herüber, dann halten Sie sich für die Nachmittagsführungen bereit. Außer Ihnen haben wir noch einen englischen Führer. Er macht Mittagspause, sobald Sie zurück sind. Lassen Sie ihn ja nicht warten, wie Ihre gedankenlose Schwester es oft genug getan hat. In Ihrer Freizeit können Sie von mir aus mit den einheimischen Männern flirten, aber nicht in der Zeit, für die ich Sie bezahle.”
Lucy hatte die letzten Bemerkungen nur noch mit
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