Bianca Exklusiv Band 87
gegen den Baumstamm gelehnt zu Boden sinken und setzte sich auf die Erde. Mühsam zog er das Taschenmesser aus der Hosentasche und begann, den Stoff aufzuschneiden.
„O Nick.” Danys Stimme schwankte. „Wäre ich bloß nicht vorangegangen. Es ist meine Schuld.”
Nick lächelte schwach. „Das ist ja nichts Neues. Hier, mach du das.”
Mit zitternden Fingern schlitzte sie das Hosenbein ganz auf und zog den festen Baumwollstoff nach unten. Direkt über dem Knie befanden sich zwei winzige Male, die wie Nadelstiche aussahen. Das Gewebe um die Wunde war bereits stark angeschwollen und gerötet.
Eine Zeit lang konnte Dany den Blick nicht von der Bissstelle wenden, doch dann schüttelte sie die aufsteigende Panik ab und sprang auf. Rasch zog sie sich die Bluse über den Kopf und riss einen Streifen davon ab. Unter einem Baum in der Nähe fand sie einige Zweige.
Sie wählte einen geraden, festen Stock aus und kniete sich damit neben Nick, der die Augen geschlossen hatte. „Halt das fest.”
Als er nicht antwortete, schüttelte sie ihn heftig am Arm. Mit dem Zweig und dem Stoffstreifen legte sie ihm eine Aderpresse an. So fest sie nur konnte, schlang sie den Verband oberhalb der Wunde um seinen Oberschenkel und zurrte ihn zurecht.
„Wie Florence Nightingale.”
Nick lächelte sie an, doch seine Stimme klang bereits leicht verzerrt, als hätte er zu viel getrunken. Irgendwie gelang es Dany, sein Lächeln zu erwidern. „Das wusstest du nicht? Während du bei den Pfadfindern warst, habe ich bei den Pfadfinderinnen den Erste-Hilfe-Kurs absolviert.”
Aber der Biss einer Natter ist etwas ganz anderes als der Angriff einer giftigen Korallenschlange aus Südamerika …
Dany versuchte, diesen erschreckenden Gedanken zu verdrängen, und konzentrierte sich darauf, den Verband zu verknoten. „Kannst du es aushalten, wenn ich es noch etwas fester binde?”
„Mm.” Er nickte, und Dany zog den Stoffstreifen noch stärker an. Erst als der Verband ihm tief ins Fleisch schnitt, zuckte er zusammen. Dann öffnete Nick mühsam die Augen und sah sie eindringlich an. „Du musst Hilfe holen - allein.”
„Ich soll dich hier zurücklassen? Sei kein Dummkopf”, erwiderte sie mit rauer Stimme. Ich würde vielleicht nicht rechtzeitig zurückkommen. Bei diesem Gedanken lief ihr ein Schauder über den Rücken. Eine Zeit lang sahen sie sich unverwandt an, dann hob Dany ihre zerrissene Bluse auf und zog sie über den Kopf.
„Du hast mir einmal gesagt, du würdest mich über die Grenze tragen, sollte es nötig sein. Nun, das Gleiche gilt auch für mich. Wenn es nicht anders geht, werde ich dich tragen.” Sie schob die Hände unter seine Arme und zog ihn hoch. Nick schwankte leicht, konnte sich aber auf den Beinen halten.
„Stütz dich auf mich. Ja, lehn dich richtig an.” Ohne auf seinen gemurmelten Protest zu achten, packte sie seinen Arm und legte ihn über ihre Schulter. Die andere Hand legte sie fest um seine Taille.
Sie kamen nur mühsam vorwärts. Jeder Schritt wurde zur Qual. Obwohl Nick kein Gramm überflüssiges Fett besaß, zog das Gewicht seines muskulösen Körpers sie fast zu Boden. Schon nach wenigen Metern schlug Dany das Herz bis zum Hals. Ihr Atem ging schwer, und ihre Bluse war schweißnass.
Von der Seite warf sie ihm einen prüfenden Blick zu. Nick war sehr blass, die Augen hielt er halb geschlossen. Dany konnte förmlich spüren, wie das Schlangengift langsam durch seine Adern floss und mit jeder Minute näher an das Herz gelangte. Mit aller Kraft zwang sie sich, ohne Pause weiterzugehen …
Der Weg schien endlos. Dany hatte jeden Zeitbegriff verloren. Nick hielt sich nur durch seine enorme Willenskraft noch auf den Beinen. Andere Männer wären schon längst zusammengebrochen. Doch schließlich schwankte er, und obwohl Dany verzweifelt versuchte, ihn festzuhalten, sank er ganz langsam zu Boden.
Dany kniete sich neben ihn und hob seinen Kopf auf ihren Schoß. Sein Gesicht war jetzt aschfahl und mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt. Die Lider bedeckten die schönen jadegrünen Augen fast ganz, und Dany spürte, wie der sonst so lebendige Ausdruck langsam aus ihnen verschwand.
„Nick!”
Völlig außer sich, schüttelte sie ihn, doch er murmelte nur etwas Unverständliches und legte die Wange an ihre Brust wie ein schlafendes Kind. Während sie ihn verzweifelt betrachtete, biss sie sich so fest auf die Unterlippe, dass sie plötzlich Blut schmeckte.
Schluchzend schüttelte sie ihn wieder heftig.
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