Bianca Exklusiv Band 87
doch gegen Monatsende fängt das Weihnachtsgeschäft an. Dann müssen Sie wieder fit und ausgeruht sein.”
„Nun, wenn Sie meinen.” Danys Kopfschmerzen wurden immer schlimmer, und so gab sie schließlich nach.
„Oder warum besuchen Sie nicht diese Ausstellung, von der Sie mir erzählt haben?
Morgen ist der letzte Tag, und Sie wollten doch unbedingt hingehen.”
An diesem Nachmittag im Oktober blies ein eisiger Wind. Dany knöpfte fröstelnd den königsblauen Blazer zu und streifte die Lederhandschuhe über. Während sie die menschenleere Straße entlangging, überfiel sie wieder dieses starke Gefühl der Traurigkeit j das sie nur in Gegenwart von anderen zu unterdrücken versuchte. Es verfolgte sie wie ein dunkler Schatten überallhin.
Und heute war es besonders schlimm … Der Arzt, den sie aufgesucht hatte, hatte nur bestätigt, was sie in ihrem Inneren bereits seit Wochen wusste … Bald würde sie es Gramps sagen müssen und natürlich auch Caroline. Vielleicht würden die scharfen Augen ihrer Chefin die Wahrheit auch schon in den nächsten Tagen entdecken.
Schließlich erreichte sie die Kreuzung. Eine Straße führte zur U-Bahn-Station, die andere zum Museum. Lustlos blieb sie stehen und dachte nach. Eigentlich wollte sie nicht zu dieser Ausstellung gehen. Gramps hatte sie überreden wollen, zur offiziellen Eröffnung zu gehen, doch sie hatte sich geweigert. Aber sie wollte auch nicht zurück in ihr Apartment und einen weiteren Abend damit verbringen, die Wand anzustarren. Vielleicht sollte sie sich wirklich aufraffen und die Ausstellung besuchen. So würde sie den Schmerz, den sie ständig empfand, direkt konfrontieren. Möglicherweise konnte sie ihn dabei auslöschen und dann damit beginnen, ihr Leben neu zu gestalten.
Die Ausstellung war in einem Nebenraum der Galerie. Auf einem Plakat war das Thema in großen fett gedruckten Buchstaben angekündigt: „Die bedrohten Schätze der Regenwälder”.
Darunter stand der Name der Organisation der Vereinten Nationen, die die weltweite Ausstellung unterstützte, um Spenden dafür zu sammeln. Dany holte ihren Geldbeutel aus der Handtasche und suchte Kleingeld für den Katalog heraus. Dann stieß sie die Schwingtür auf und betrat den Raum.
Leise Musik empfing sie. Von einem Tonband kam indianische Volksmusik. Die melancholischen Klänge der Panflöten trieben ihr unvermittelt Tränen in die Augen. Zum letzten Mal hatte sie an dem Folkloreabend im Hotel solche Musik gehört. Das war drei Tage, bevor sie sich in den Urwald gewagt und dort Nick Devlin getroffen hatte. Drei Nächte, bevor sie ihre innere Ruhe für immer verloren hatte …
An den Wänden ringsum hingen große Schwarzweißfotografien, die die Besucher in die Ausstellung einführen sollten. Dany betrachtete sie flüchtig, bis plötzlich ein Bild ihre Aufmerksamkeit erregte. Atemlos blieb sie davor stehen. Das musste die Pyramide sein, die sie entdeckt hatte. Deutlich sah man die Verwüstung, die die Plünderer angerichtet hatten. Neben der großen Aufnahme hingen mehrere Bilder, die alle die Gier widerspiegelten, mit der die Kunstschätze gewaltsam entfernt worden waren.
Hatte Nick diese Bilder geschossen? Vielleicht. Aber dieses stammte sicher nicht von ihm, denn er selbst war abgebildet. Er kniete neben einem Bambusgestrüpp vor dem Flugzeugwrack. Vor ihm war die Erde aufgegraben, und er hielt eine bemalte Tonschale in der Hand. Unverwandt betrachtete Dany sein Gesicht auf der Fotografie. Er lächelte, doch man sah ihm an, dass er erschöpft war.
Lange Zeit blieb sie vor dem Bild stehen, doch als sie bemerkte, dass der Galerieangestellte sie beobachtete, ging sie weiter. Die Ausstellungsstücke waren hervorragend platziert. Im gedämpften Licht hoben sich die hell erleuchteten Vitrinen scharf gegen das Halbdunkel ab. Viele Tongefäße waren ausgestellt, und sie war sich sicher, dass einige davon von der Ladung stammten, die sie und Nick im Flugzeug gefunden hatten. Die Gegenstände aus Silber und Metall kamen ihr nicht bekannt vor. An der hinteren Wand des Raums waren die kostbarsten Stücke ausgestellt.
Auf schwarzem Samt steckten die kleinen Schmetterlinge aus Gold, die als Lösegeld für einen Herrscher abgegeben worden waren. Daneben stand die Figur der Fruchtbarkeitsgöttin, im Schoß ein Kind und in der Hand einen Maiskolben. Unbewusst strich sich Dany mit der Hand über den Bauch, der unter ihrem wollenen Blazer eine leichte Wölbung aufwies.
Mit einem Mal durchbrach ein Gefühl
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