Bianca Extra Band 01
Melanies Abgang nichts einzuwenden hätte. Aber er wurde den Verdacht nicht los, dass ihr plötzliches Verschwinden wenig mit ihrer Arbeit zu tun hatte. Nein, irgendetwas an der Geschichte dieses Paares setzte ihr zu. Da war er sich ganz sicher. Aber dieser Frage konnte er jetzt nicht nachgehen. Also wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Geoffrey und Veronica zu, während Melanie mit anderen Paaren sprach, die nun laufend aus den Räumen kamen.
Die folgenden zweieinhalb Stunden führte er ein Interview nach dem anderen. Die meisten waren nett. Aber nur ein paar blieben Jace wirklich in Erinnerung.
Ein Ehepaar hatte schon zwei Hochzeiten und zwei Scheidungen hinter sich – miteinander! Jetzt wollten sie es ein drittes Mal versuchen.
Ein junges Pärchen hatte sich in letzter Minute zur Hochzeit entschieden, weil die Braut beim Militär war und zum Auslandseinsatz in ein Krisengebiet musste. Diese Begegnung erinnerte Jace an seinen jüngeren Bruder. Seth war bei der Air Force. Im Augenblick war er in Afghanistan stationiert. Erst in ein paar Monaten würde er wieder nach Hause kommen. Aber er würde nach Hause kommen. Jace weigerte sich, eine andere Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen.
Als er dem Paar gratulierte, gab er ihnen den Geschenkgutschein für das Nobelrestaurant L’Auberge.
Immer wieder nahm er sich die Zeit, auch ein paar Schnappschüsse von Melanie zu machen. Anscheinend war sie richtig auf Zack. In Rekordzeit brachte sie jedes Interview hinter sich. Mit einem Paar verbrachte sie jedoch deutlich mehr Zeit als mit den anderen. Die Braut war offensichtlich schwanger, der Bräutigam offenkundig stolz darauf, Vater zu werden. Beide waren auch erkennbar nervös.
Als dieses Gespräch vorbei war, rannte Melanie zu den Toiletten. Jace bemerkte, dass ihre Augen feucht waren. Neugierig und beunruhigt bemühte er sich, sein Interview zu beenden, bevor sie wieder auftauchte. Das schaffte er jedoch nicht. Als er schließlich frei war, sprach sie schon wieder mit dem nächsten Brautpaar.
Schließlich waren sie wieder auf dem Weg zur Redaktion. Und Melanie schwieg schon wieder.
„Ich glaube, wir sollten unsere Rekorder tauschen“, schlug Jace vor. „Dann können wir uns morgen entscheiden, welchen Paaren wir nachgehen wollen.“
„Klar. Ich glaube nicht, dass sich das bei einem der Paare lohnt, mit denen ich heute gesprochen habe.“ Melanie starrte aus dem Fenster. „Aber vielleicht ist mir ja was entgangen.“
„Was ist mit dem Paar mit der schwangeren Braut? Ich hatte den Eindruck, dass die dich interessieren. Jedenfalls ist mir aufgefallen, dass du mit den beiden deutlich mehr Zeit verbracht hast als mit den anderen.“
„Ich habe mich ihnen nur länger gewidmet, weil sie nervös waren. Gehört doch zum Job, dass man Interviewpartner dazu bringt, sich entspannt zu unterhalten, oder?“
„Ja, natürlich. Aber du … warst fix und fertig, als sie gegangen sind. Warum?“
Sie stieß ein gequältes Lachen aus. „Das bildest du dir ein. Das war ich nicht.“
„Mel, ich weiß, wenn eine Frau mit den Nerven am Ende ist.“ Da tauchte auch schon die Tiefgarage für die Angestellten der Gazette vor ihm auf. Er parkte ein und machte den Motor aus. „Sieh mich an, Mel. Bitte?“
Das tat sie. Er erwartete, Frust zu entdecken. Vielleicht sogar Wut. Aber er sah nur Verwirrung und Schmerz.
„Die Frau ist fast noch ein Mädchen. Und jetzt ist sie schwanger“, sagte Melanie leise. „Sie haben geheiratet, weil er sie geschwängert hat, und weil sie denken, dass es das Richtige ist.“
„Lieben sie sich denn?“
„Sie glauben , dass sie sich lieben.“
„Dann ist es das Richtige zu heiraten.“ Davon war Jace felsenfest überzeugt.
„Die beiden haben doch keine Ahnung, worauf sie sich einlassen.“ Melanie wandte sich ab und löste den Sicherheitsgurt. „Sie sind zu jung. Die sind doch kaum alt genug fürs College.“
„Fast alles ist schwieriger, wenn man jung ist. Aber nicht unmöglich.“ Jace spürte, dass dieses Gespräch wichtig war. „Andererseits wird das den meisten von uns erst klar, wenn wir etwas Lebenserfahrung gesammelt haben. Das kann auch ein Vorteil sein.“
„Ein Vorteil?“ Melanie hob das Kinn, sodass ihre Blicke sich begegneten. „Ehrlich?“
Jace nickte, sagte aber nichts.
„Oh, anfangs wird bestimmt alles toll. Das Baby wird geliebt und gehätschelt, und alles ist fantastisch. Bis die Geldsorgen anfangen. Arztrechnungen und alles, was ein Kind so braucht
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