BIANCA SPEZIAL Band 03
öffnete die Akte und überflog sie. „Bisher warst du nicht besonders besorgt.“
„Weil ich in dieser Wache mit Nachsicht behandelt werde.“ Sie drückte einen Zeigefinger gegen seine Brust. „Du dagegen könntest allein dafür verhaftet werden, dass du dich in diesem Raum aufhältst.“
Chad blickte auf ihren Finger, und sie zog ihn hastig zurück. „Es könnte eine erfreuliche Erfahrung sein. Vorausgesetzt, du teilst die Zelle mit mir.“
Schindler legte den Hörer auf. „Es hat etwas Überzeugungskraft gekostet, aber Janice schickt die Unterlagen gleich rüber.“
Im nächsten Augenblick schaltete sich das Faxgerät ein. Zu dritt verfolgten sie die eingehenden Personenbeschreibungen. Lisa Furgeson hatte blaue Augen und war blond, fünfunddreißig Jahre alt, einen Meter siebzig groß, fünfundsechzig Kilo schwer. Eric Persky war achtunddreißig, hatte hellbraune Haare und grüne Augen, war einen Meter neunundachtzig groß und hundertfünfundzwanzig Kilo schwer. Grobkörnige Schwarz-Weiß-Bilder folgten.
„Danke, Schindler.“ Hannah nahm das Fax aus dem Gerät und steckte es in den Aktendeckel, den er ihr reichte. „Ich muss mal telefonieren.“
„Nur zu“, bot Danny an. „Wenn du noch was brauchst, dann schrei. Oh, und ich brauche wohl nicht zu betonen, dass diese kleine Transaktion unter uns bleibt, oder? Es hätte mir gerade noch gefehlt, dass Marconi mir aufs Dach steigt.“ Er grinste. „Ich glaube, du kannst auch darauf verzichten.“
„Das kannst du laut sagen.“
Danny verschwand zwischen den hohen Metallregalen. Chad beobachtete, wie Hannah einen Zettel aus der Tasche nahm und eine Nummer wählte.
„Hi, hier ist Hannah“, sagte sie in den Hörer und drehte ihm den Rücken zu.
Ihr familiärer Ton behagte ihm gar nicht. Hatte sie sich nach ihrer Trennung mit jemand anderem eingelassen? Etwas wie Eifersucht stieg in ihm auf. Er verspürte den Drang, ihr den Hörer wegzunehmen und aufzulegen. Stattdessen stopfte er die Hände in die Jeanstaschen.
„Ich verstehe“, sagte sie niedergeschlagen.
Chad ging um sie herum und beobachtete, wie sie die Augenbrauen zusammenzog. Probleme im Paradies? Gut.
Hastig wandte sie sich ab. „Okay. Ich kann in zwei Stunden da sein. Reicht das? Gut, bis dann.“ Das werden wir ja sehen, dachte er mit zusammengebissenen Zähnen.
„Wer ist Marconi?“, erkundigte sich Chad, als sie die Wache verließen.
Hannah bemerkte vage, dass die Sonne untergegangen war. Doch die Luft war immer noch heiß. Ebenso wie ihre Haut, die von Chads Nähe prickelte. Es war unfair, dass sie immer noch so heftig auf ihn reagierte. Doch sie hatte sehr früh gelernt und immer wieder bestätigt erhalten, dass das Leben nicht immer fair war.
„Der Hauptkommissar.“ Sie blickte zurück zu dem schlichten Gebäude aus Stein. Früher einmal hatte sie sich nichts mehr ersehnt, als in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und Polizistin zu werden. Doch Victor Marconi war ebenso entschlossen gewesen, es zu verhindern.
„Dein Vater hat sich im Grabe umgedreht, als du hier angefangen hast“, hatte er ihr mitgeteilt.
„Mein Vater hat mich zur Polizistin ausgebildet, seit ich laufen konnte. Er wäre stolz auf mich“, hatte sie entgegnet.
Er hatte drei Jahre gebraucht, um zu verwirklichen, was er sich und ihr bei seiner Ernennung zum Hauptkommissar geschworen hatte: sie zu veranlassen, den Dienst zu quittieren.
Victor Marconi, den sie seitdem nicht mehr gesehen hatte, war einer der Geister ihrer Vergangenheit. Sie blickte den anderen an. „Du solltest dir jetzt ein Taxi nehmen, Chad“, sagte sie und stieg in den Wagen.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte er und setzte sich neben sie.
„Worüber?“
„Über das, woran du gerade gedacht hast.“
„Victor Marconi ist mehr als nur der Hauptkommissar. Er war der beste Freund meines Vaters und sein Partner. Bis zu der Nacht, in der Dad in Ausübung seiner Pflicht getötet wurde.“
„Du hast mir zwar gesagt, dass dein Vater starb, aber du hast ausgelassen, dass er in Ausübung seiner Pflicht getötet wurde.“
Sie strich sich das Haar aus der Stirn. Es gab vieles, was sie ausgelassen hatte. „Trotz der Vorgeschichte zwischen Marconi und mir – oder vielleicht gerade deswegen – wird er nicht zögern, uns beide zu verhaften, wenn er herausfindet …“
„Du hast meine Bemerkung nicht beantwortet, Hannah.“
Sie fuhr los. „Vielleicht gibt es keine Antwort darauf. Als wir zusammen waren, haben wir
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