Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
Vom Netzwerk:
Frauen wie Rosa und Antoinette, denen das Leben so viel abverlangt hatte, mochten keine Heulsusen und keine Rührseligkeiten. Und so wehrte Antoinette meine allzu heftige Umarmung, mein gestammeltes »Merci pour tous« ab, stand aufrecht im Türrahmen, als sie mir »À la prochaine fois« hinterherrief und ich mich auf den Weg nach Straßburg zu meinem Patissier-Kurs machte.

SIEBZEHN
    Deville schickte mich ohne ein »Bonjour« in die letzte Reihe. Er machte sich keine Mühe zu verbergen, wie beleidigt er war, weil ich schon wieder gefehlt hatte. Wenn er wüsste, wie schön ich es fände, würde die Welt zurzeit nur aus Cremes und Törtchen bestehen!
    Ganache oder Canache, begann er, als die Klasse komplett war, so bezeichne man die Mischung aus Sahne und Schokolade, deren Konsistenz vom Verhältnis der beiden Zutaten abhänge. Canache lasse sich mit Alkohol parfümieren, dafür reduziere man den Sahneanteil und ersetze ihn durch Butter, da Alkohol im Gegensatz zu Sahne kein Fett enthalte.
    Das war nun wirklich Basiswissen und stellte keinerlei Herausforderung dar. So schmolz ich routiniert Schokolade im Wasserbad, entschied mich für Cognac als Parfüm, verrührte die Masse vorsichtig, fügte Alkohol und Butter hinzu, ließ sie bis zu einem gewissen Punkt abkühlen und löffelte die Masse in einen Spritzbeutel. Ich begann, die Macarons zu füllen, die an einem der Tage, an denen ich gefehlt hatte, entstanden waren. Immer noch glichen sie sich nicht wie ein Ei dem anderen, sahen aber deutlich besser aus als die Produktion des ersten Tages.
    Leider funktionierte die Magie des Kochens heute nicht bei mir. Kein Abtauchen ins Reich der Gerüche und Zutaten, kein Versinken ins Rühren und Schmelzen, keine Freude an Fingerfertigkeit oder Tempo. Deville machte seine üblichen Inspektionsrunden, besah sich meine Macarons genau, nörgelte ausführlich an drei überfüllten herum, lobte dafür demonstrativ einen der Jungspunde über den grünen Klee, dessen Füllungen nicht besser gelungen waren als meine. So gut er sein Handwerk verstand, als Lehrer war der Mann eine Niete.
    Als Deville begann, über die Herstellung von Fruchtfüllungen zu dozieren, bekam ich eine SMS . Unter dem Tisch rief ich die Nachricht ab. Sie kam von Sandrine. »Ich muss Ihnen dringend etwas zeigen«, schrieb sie.
    Devilles Föhnfrisur vibrierte, als ich sagte, dass ich gehen müsse. Was das für eine Arbeitshaltung sei, fragte er mit sehr spitzem Mund. Der Zuckerbäckerkönig war verschnupft.
    Â»Es gibt Wichtigeres«, antwortete ich und räumte meinen Arbeitsplatz auf.
    So werde ich nie eine gute Patissière. Wenn ich jetzt gehe, solle ich da bleiben, wo der Pfeffer wächst, dann brauche ich nie, nie mehr wiederzukommen, schrie er ganz unköniglich herum.
    Bevor er völlig seine Contenance verlor, schlüpfte ich durch die Tür und lief nach unten, aber ich hörte ihn noch schimpfen, als ich schon draußen auf der Rue de Francs Bourgeois stand. Adieu Macarons! Adieu Engelshaar! Wie gerne hätte ich euch mehr Zeit gewidmet. Wirklich …
    Auf der Straße stieg mir als herrlicher Kontrast zu Devilles klebrigen, zuckrigen Schokocremes der deftige Geruch von Choucroute und Schlachtplatte in die Nase. Auf der Place Kleber wurde dieser durch den Duft von Bratäpfeln und Zuckerwatte abgelöst, die an einem Stand am Rand des Platzes verkauft wurden. Ein älterer Herr mit Baskenmütze drückte mir ein Informationsblatt über den neuen Conseil d’Alsace in die Hand.
    Â»Der elsässische Landrat« verleihe erstmals dem gesamten Elsass sowie seiner teils deutschsprachigen Bevölkerung eine wirkungsvolle politische Vertretung und schaffe damit die Voraussetzungen zur Stärkung der »elsässischen Identität«. Weitere Schritte sollten folgen, etwa die Aufwertung der deutschen Sprache, konnte ich lesen. Das Ziel sei letztlich eine Autonomie, wie sie die norditalienische Provinz Südtirol besitze.
    Eine gute oder schlechte Entwicklung? Wie sollte es weitergehen im Europa der Regionen? Wie die Separatisten kleinhalten? Wie viel Autonomie durfte sein, um nicht in der Kleinstaaterei von Ex-Jugoslawien zu enden? Beim Gedanken an den jüngsten europäischen Krieg, der dazu geführt hatte, wurde mir ganz übel.
    Aber die Elsässer waren genau wie die Badener keine, die Kriege anzettelten, sie hatten sich

Weitere Kostenlose Bücher