Bibbeleskaes
eingefallen, aber er hatte nur eine vage Beschreibung abgeben können und überhaupt: Die flics glaubten doch immer, dass er log. War ihm normalerweise ziemlich egal, zudem er für die Nacht ein Alibi hatte.
Der kurze, verräterische Blickwechsel zwischen den beiden machte mir klar, dass vor mir das dritte Paar stand, das in der Festnacht miteinander geschlafen hatte. Ob sie die sturmfreie Bude im Hause Murnier fürs erste Mal genutzt hatten? Ob sie schon länger miteinander schliefen? Wie stand Luc als Vater dazu? Himmel! Komm runter von dem Trip, schimpfte ich mich aus. Du bist nicht die Mutter der Kleinen, das alles geht dich nichts an.
»Erst als mein Vater verdächtigt wurde«, übersetzte Sandrine weiter, »ist Dominique der Sache nachgegangen.« Er hatte sich von Joe das Foto und den Namen besorgt, ging freiwillig zur Gendarmerie. â Alles nur für Sandrine, die gerührt kicherte, als sie diesen Satz übersetzte. â Die flics hatten auch alles aufgenommen, aber eher pro forma. Einem Hellsass Devil glaubten die erst mal gar nichts.
Während Dominique weiterredete und Sandrine übersetzte, starrte ich das Foto an. Felix, schüchtern lächelnd im Schatten von Sophie. Felix, der Mann mit dem Hundeblick, Felix, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, Felix, der Junge mit den MAOAM -Küssen. Ich hatte kein Problem, mir vorzustellen, wie er rauchend und versteckt in einer Ecke stand oder wie er Leute beobachtete. Nur, was wollte Felix von Murnier, einem Mann, den er überhaupt nicht kannte? Wollte etwa er die alte offene Rechnung begleichen, von der Joe gesprochen hatte?
Von einer alten oder offenen Rechnung wisse Dominique nichts, übersetzte Sandrine.
»Und jetzt«, erzählte sie aufgeregt weiter, »kommt die gröÃte Ãberraschung. Als Dominique mir gestern Abend den Mann auf dem Foto gezeigt hat, wusste ich, dass ich ihn schon mal gesehen habe. Nicht auf dem Fest, auf der StraÃe, ist schon ein paar Wochen her. Ich war auf dem Rückweg von Pépé nach Hause, da hat ein Auto neben mir angehalten, und der Fahrer hat sich nach dem Weingut von Emile Murnier erkundigt. Ich erklärte ihm den Weg, habe ihn für einen Weinkäufer gehalten, mir nichts dabei gedacht, bis Pascal gestern mit dem Foto ankam. Der Fahrer war dieser Felix Ketterer, da bin ich mir ganz sicher.«
Vor Staunen brachte ich erst keinen Ton heraus, und um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verhört hatte, fragte ich ein paarmal: »Bist du sicher? Bist du wirklich sicher?«
Sandrine nickte, hob theatralisch die Hand zum Schwur, und ich dachte wieder an Felix. Felix, der behauptet hatte, Emile Murnier nicht zu kennen und vor dem Fest noch nie in Scherwiller gewesen zu sein. Er hatte gelogen. Warum? Welche Verbindung zu Murnier musste geheim bleiben? In meinem Kopf tauchte wieder das Foto von Martha, Murnier und Gerti auf. Es war die einzige Verbindung, die ich kannte. Wenn Felix wegen Murnier gelogen hatte, wieso sollte ich ihm dann glauben, dass er von dem Treffen 1967 nichts wusste?
»Kurzum. Wir glauben, dieser Felix hat Pépé umgebracht!«
Sandrine wartete gespannt auf meine Reaktion. Es machte keinen Sinn, ihr und Dominique zu verschweigen, dass Felix tot war. Wenn die Nachricht nicht schon über den Rhein geschwappt war, würde man spätestens morgen in den elsässischen Zeitungen über die Leiche im Fautenbach lesen können.
»Merde!«
Dominique reagierte als Erster. Er trat gegen die leere Scherenkiste und kickte sie hinaus auf den Kies. Sandrine sah mich an, wie man Ãberbringer schlechter Nachrichten ansah, die man am liebsten umbringen wollte, und brüllte: »Wenn dieser Felix Ketterer Pépé wirklich umgebracht hat, wie kann man das jetzt noch beweisen?«
Dann strafte sie mich mit Nichtachtung und redete auf Dominique in einem verdammt schnell gesprochenen Französisch ein. Ich verstand nur einzelne Brocken, immer wieder war von den Hellsass Devils die Rede. Hatten sie etwa schon einen Besuch bei Felix geplant, um ihn zum Reden zu bringen? Damit die Hellsass Devils aus der Schusslinie gerieten? Hatte Sandrine durch ein erzwungenes Geständnis von Felix Lucs Unschuld beweisen wollen? Ich schwor mir, mein Französisch so schnell wie möglich aufzufrischen.
»Das bringt alles nichts. Damit bringt ihr euch nur in Schwierigkeiten«, behauptete ich auf Deutsch und hatte damit zumindest
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