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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Schulterzucken nahm Sandrine mir die Schere ab, legte sie in eine Kiste hinter der Bank, die ich bisher noch nicht gesehen hatte, griff sich dann ihrerseits eine weitere Schere. Und so arbeiteten wir, bis die Scheren alle kontrolliert waren. Ob es das war, was sie mir zeigen wollte? Ihre Überforderung? Das Fehlen von Luc nicht nur als Vater, sondern auch als Chef des Winzerbetriebes? Ich fragte nach weiterer Familie, nach guten Freunden, nach Kollegen, die eventuell einspringen, hilfreich zur Seite stehen könnten. Sandrine nannte ein paar Namen, bemerkte sarkastisch, dass sie schon nicht verdursten und verhungern würde, behauptete, dass Betty und Suzan schon sehr viel von Weinbau verstanden.
    Auch wenn es ihr gelang, ihre Stimme wieder flapsig klingen zu lassen, die Angst, die sich auf ihre Haut und ihre Seele gelegt hatte, verschwand nicht. Jedes Tier hätte sie riechen können und instinktiv gewusst, dass das Mädchen leichte Beute war. Verstört, überfordert, alleingelassen. Es wurde höchste Zeit, dass Luc zurückkam.
    Motorradlärm zauberte ein Lächeln auf Sandrines Gesicht. Der Fahrer brachte seine Maschine im knirschenden Kies zum Stehen, nahm seinen Helm ab, hängte ihn an den Lenker und lief dann auf uns zu. Ich erkannte ihn wieder. Er war das Kraftpaket aus der Wäschekammer. Im Gehen öffnete er seine Lederjacke, zeigte unter dem engen T-Shirt sein hart antrainiertes Sixpack, ließ die Armmuskeln spielen, kickte mit den strammen, in engen Jeans steckenden Beinen einen Stein aus dem Weg, führte so in wenigen Sekunden all die überschüssige Kraft vor, die in diesem Jungmännerkörper steckte. Umso überraschender dann die leise Stimme, mit der er Sandrine begrüßte. Auch der Kuss, der folgte, nicht herrisch oder besitzergreifend, sondern ganz zart, fast ein bisschen unbeholfen, linkisch, und der Blick, mit dem er das Mädchen liebkoste, aus Milch und Honig. Ich hatte ja erlebt, was für eine unberechenbare Kraftmaschine der Kerl war, aber hier gab er sich völlig handzahm. Wahrscheinlich hätte selbst ein Blinder bemerkt, wie verliebt der Junge in die Kleine war.
    Â»Das ist Dominique«, erklärte sie. »Und das ist …« Sie sah mich fragend an.
    Â»Katharina«, sagte ich.
    Kein Händedruck, nur ein kurzes Kopfnicken. Auch er erinnerte sich, dass er mich schon mal gesehen hatte. Ob es ihm peinlich oder er stolz darauf war, dass ich ihn Handtücher werfend und später von zwei Gendarmen niedergerungen gesehen hatte, konnte ich seinem Blick nicht entnehmen. Milch und Honig jedenfalls schüttete er über mich nicht aus, eher eine geballte Ladung Misstrauen.
    Â»Zeig’s ihr!«, befahl ihm Sandrine, und als er zögerte, drängte sie: »Los, mach! Wir haben nichts zu verlieren.«
    Er griff in seine hintere rechte Hosentasche, holte Zeitungspapier heraus, faltete es auseinander und legte es neben mich auf die Bierbank. Das Gruppenfoto von der Place de la Libération aus dem Acher und Bühler Boten, das FK seinem Artikel über die Fünfundvierzigjahrfeier angehängt hatte. Das Foto, mit dessen Hilfe Joe den Hellsass Devils erklärt hatte, wer wer war.
    Â»Je l’ai vu!«, sagte er und deutete mit dem Finger auf Felix Ketterer, der versteckt zwischen Sophie und Pascal in der dritten Reihe stand.
    Â»Ich habe ihn gesehen«, so viel verstand ich noch, aber dann redete Dominique in einem so schnellen und wirren Französisch weiter, dass Sandrine übersetzen musste.
    Dominique hatte Felix rauchend neben dem Haus von Emile Murnier stehen sehen, weil er, im Gegensatz zu den restlichen Hellsass Devils, am Festabend die schmale Straße zur Salle polyvalente gefahren war. Der Mann war ihm aufgefallen, weil niemand im Dorf auf jemanden wartete, höchstens mal ein Betrunkener durch die Straßen torkelte, alle anderen um diese Zeit schnell nach Hause gingen. Nur eine kurze Impression aus dem Augenwinkel, die glimmende Zigarette, im Licht des Motorradscheinwerfers ein kurzer Blick ins Gesicht, mehr nicht. Er hatte dem Mann keine weitere Beachtung geschenkt. Er wollte doch mit den anderen gleichzeitig auf der Place de la Libération ankommen.
    Der Typ war schon vergessen, als die Hellsass Devils gemeinsam die Maschinen aufheulen ließen, bevor sie die Salle polyvalente enterten. Am nächsten Morgen, als die keufs die Hellsass Devils zum Verhör holten, war ihm der Mann wieder

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