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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Was stellte sie sich vor? Sollte ich Punkte sammeln, was für den einen und was für den anderen Mann sprach, und ihr am Ende die Rechnung aufmachen? Wollte sie von mir überredet werden, bei Edgar zu bleiben? – Was ich sowieso für das Beste hielt. Wer wollte schon, dass seine Eltern sich trennten? – Oder brauchte sie meinen Segen, um ihn verlassen zu können?
    Â»Ich kann dir nichts raten, Mama. Keiner kann das. Und ich schon gar nicht.« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie nicht mehr mit Edgar in der Linde stand. Auch nicht, dass ihr Leben eine Achterbahn war.
    Â»Kein Wort darüber! Zu niemandem!«
    Â»Mama!«
    Â»Seit die Gerti tot ist, habe ich keinen mehr, mit dem ich darüber reden kann.«
    Ihren Worten folgte ein Schniefen. Mit einem Taschentuch wedelte sie wild über das Windlicht und verscheuchte das Ungeziefer noch, als schon keines mehr da war.
    Natürlich. Gerti war ihre beste Freundin gewesen. Und beste Freundinnen redeten über Männer und vertrauten sich Geheimnisse an. Gerti mit ihren prachtvollen Blumensträußen! Immer nachmittags, in Marthas freier Zeit zwischen Mittags- und Abendbetrieb, war sie in die Linde gekommen. Die beiden Frauen im hintersten Winkel der Küche. Das Wispern, Tuscheln und Seufzen. Das plötzliche Verstummen, wenn ich zufällig auftauchte. »Hau ab! Verschwinde! Lass uns allein!« Hatte ich bisher angenommen, dass es in den Geheimgesprächen immer um Gerti ging, dämmerte mir erst jetzt, dass es genauso um Martha gegangen war. Ein Geheimnis blieb nur ein Geheimnis, wenn es ein zweites gab, mit dem es aufgewogen werden konnte.
    Â»Gerti«, wiederholte ich. »Was ist mit Gerti?«
    Martha seufzte so schwer, dass das Windlicht auf dem Tisch zitterte und ein paar Schnaken eilig davonschwirrten. »Ich habe ihr geschworen, niemals darüber zu reden.«
    Â»Mama, sie ist tot.«
    Â»Der Schwur gilt über den Tod hinaus.«
    Ihre Stimme klang so fest und klar, als wollte sie gleich ein Kirchenlied anstimmen, und machte deutlich, dass dies ein Punkt war, über den sie nicht mit sich reden ließ. Von wegen ich-sag-dir-alles-was-ich-weiß! Warum war sie jetzt nicht die geschwätzige Wirtin, die mir so oft auf den Geist ging? Die, durch deren Mund tagein, tagaus jeder Dorftratsch Verbreitung fand, die, die keine Skrupel hatte, Halbwahrheiten zu verbreiten. Aber was Gerti betraf, war sie schon immer schweigsam gewesen. Auch früher hatte sie nie etwas über ihre gemeinsamen Gespräche ausgeplaudert. Gerti und Martha und die hinterste Ecke der Küche, das war ein eigener Kosmos, für alle anderen unbekanntes Land, Betreten verboten.
    Wieder zischte es in der Kerze des Windlichts, eine weitere Schnake taumelte ins weiche Wachs, das schon schwarz vor Leichen war. Entweder waren die Schnaken zu blöd, aus den Fehlern ihrer Artgenossen zu lernen, oder das Licht besaß eine so magische Anziehungskraft, dass sie dafür den eigenen Tod in Kauf nahmen. Oder ich dachte am Ende dieses langen Tages nur Schwachsinn, da ich Insekten schon menschliche Eigenschaften andichtete. Unten in der Rheinebene zerriss ein Zug die Stille der Nacht, im Nachhall drang das ferne Rauschen der Autobahn zu den Kirschbaumhügeln. Es schien mir ewig her, dass ich dort heute Morgen auf dem Rückweg von Scherwiller im Stau gesteckt hatte. Mir fiel mein letztes Gespräch mit FK wieder ein.
    Â»Und wenn Gerti selbst angefangen hat, darüber zu reden?«, fragte ich leise. »Ist dann der Schwur nicht aufgehoben?«
    Martha sah mich an, als würde ich ihr die Lösung für etwas präsentieren, das sie als unlösbar empfunden hatte.
    Â»Ich habe sie beschworen, nichts zu sagen«, sprudelte es aus ihr heraus. »Es gibt Geheimnisse, die nimmt man besser mit in den Tod. Nur seit Murnier tot genau an der Stelle gelegen hat, an der er sie damals … Und der Felix … Ich kriege den Verdacht nicht aus dem Kopf … Aber was, wenn ich mich täusche?«, unterbrach sie sich selbst.
    Tot an der Stelle … Er sie damals … »Was ist am Bach passiert?«, wollte ich wissen.
    Martha wiegte ihren schweren Körper hin und her, reagierte nicht sofort auf meine Frage, brauchte Zeit, bis sie die richtigen Worte fand.
    Â»Er hat der Gerti g’fallen, der Emile. Ein kleiner Spaziergang durchs Dorf, wieso nicht? Hubert hat mit seinen Fußballern gefeiert, Emiles Frau war schon mit

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