Bibbeleskaes
selbst in Wasser gelegt haben kann. Das passt alles hinten und vorne nicht zusammen.«
Gerade Besoffene brachten manchmal noch die erstaunlichsten Dinge zustande, überlegte ich. Wahrscheinlich musste man sogar besoffen sein, um einen inszenierten Selbstmord so umsetzen zu können, wie ich ihn Felix unterstellte. Nein, meine Theorie war nicht falsch. Was Käshammers Frau über Felixâ Zustand bei der Rückfahrt erzählte, das passte zum Bild von einem, der völlig aus der Bahn geworfen war, der keinen Ausweg mehr sah. Nur: Wieso wussten Hodapp und Stechele das nicht?
»Hat Ihre Frau das nicht sofort der Polizei erzählt?«
»Stichwort Meditation. Die war zwei Tage im Brandenburgischen zu einem Kurs. Kein Handy, kein Internet, kein Garnichts. Hab ihr erst sagen können, was passiert ist, als sie heute Morgen wieder daheim war. Da hat sie natürlich sofort angerufen.«
Dann wussten Hodapp und Stechele jetzt, wer Felix mit ins Tal genommen hatte und dass ich es nicht gewesen war. Käshammer blickte verstohlen auf seine Uhr und zog wieder an seinem Hosengürtel.
»Sind Sie mit Sophie verabredet?«, erkundigte ich mich.
»Ich frag mich die ganze Zeit, was mit dem Felix los war. Gut, man hat ja gehört, dass es mit seiner Spedition nicht mehr läuft, seit die Glashütte dichtgemacht hat, aber getrunken hat der eigentlich nie«, redete Käshammer weiter, ohne auf meine Frage einzugehen. »Mal ein Glas Sekt oder einen Schoppen Wein, aber wenn die zu zweit unterwegs waren, hat immer Sophie noch ein Glas mehr trinken dürfen, und er ist gefahren. Ich frag mich also, was den in Allerheiligen so tief hat ins Glas schauen lassen. Haben Sie da nicht länger mit ihm geredet?«
Er musterte mich mit listigem Blick, so als wäre er sich sicher, dass ich ihm darüber Auskunft geben konnte. Wollte ich aber nicht.
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich nehme mal an, dass es nicht Ihr Theaterstück war. Sie waren groÃartig als Richter Adam.«
Er deutete augenzwinkernd eine Verbeugung an. Er wusste genau, dass er in der Rolle brilliert hatte. »Ja, das Theater! Das lehrt einen viel über das Leben«, verlegte er sich aufs Philosophieren. »Nichts ist spannender, als zu studieren, wie die Dichter ihre Figuren lügen und betrügen und am Ende über ihre Fehler stolpern lassen.«
»Wissen Sie noch, wie Sie mir bei unserem letzten Aufeinandertreffen gesagt haben, dass der Schuldige sich selbst ans Messer liefern wird?«, fragte ich ihn.
»Wer weiÃ? Vielleicht hat erâs schon?« Er drehte den Kopf leicht schief und legte einen hinterhältigen Ton in seine Stimme, so wie er es in seiner Rolle als Dorfrichter getan hatte. »Jeder richtet sich am Ende selbst, der eine aus sich heraus, der andere, weil er überführt wird. Auch das Leben kennt einen fünften Akt. Und danach ist Schluss.«
Spielte er mir etwas vor? Was sollte das Theater? Ich deutete durch kurzes Klatschen einen Applaus an. »Herr Käshammer«, rief ich. »Und jetzt Butter bei die Fische! Was sollen die Andeutungen? Wer warâs?«
»Spaà beiseite, Frau Schweitzer«, sagte er wieder mit normaler Stimme. »âs wär halt zu schön, man könnt im Leben wie im Theater wissen, wie die Sache ausgeht. So ist es leider nicht. Aber über Motive von Figuren, ihre Absichten und über die Unberechenbarkeit von Gefühlen kann man viel beim Theater lernen. Shakespeare!«, rief er mit verklärtem Blick aus. »Denken Sie nur an Macbeths Mord an Duncan!«
Shakespeare? Ich hatte keine Ahnung, worauf Käshammer hinauswollte, wenn er denn überhaupt auf irgendwas hinauswollte und nicht nur schwafelte, weil er sich selbst so gerne reden hörte oder Leute gerne durcheinanderbrachte. »Macbeth«? Stimmt, darüber hatte er bereits in Allerheiligen mit Sophie gesprochen. Das Stück wollte er im nächsten Jahr für die Freilichtbühne inszenieren. Viele Morde, viel Schuld, drei Hexen, viel Wahnsinn. Am Ende alle tot oder so ähnlich. Obâs ihm das Publikum dankte, wenn er ihnen ausgerechnet dieses blutrünstige Stück präsentierte? Wenn schon Shakespeare, warum nicht »Wie es euch gefällt«?
»Sophie wäre meine Idealbesetzung für die Lady Macbeth!« Käshammer kam richtig ins Schwärmen. »Die kann nur eine spielen, die weiÃ, wie Politik funktioniert! Die weiÃ, wie
Weitere Kostenlose Bücher