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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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dachte, dann hatte Felix Spuren hinterlassen. Den Beipackzettel der Schlaftabletten, einen angefangenen und dann weggeworfenen Abschiedsbrief, irgendwas.
    Â»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich zu FK und beendete das Gespräch.
    Ich war auf dem Platz vor der Kirche angelangt. Die Türen standen sperrangelweit offen. Drinnen spielte die Orgel. Gewaltige Musik drang nach draußen, die Kirchenmauern zitterten unter all den wuchtigen Tönen. Da zog einer sämtliche Register. Mir blieb nur noch eines.
    Ich nahm die Orgelmusik mit, als ich an dem alten Käfer vorbeilief, der immer noch einsam auf dem Parkplatz stand. Vielleicht gehörte er dem Orgelspieler. Bei meinem Auto angelangt, hatte die Orgel ihre Wucht verloren, ihre Töne verschwammen zu einem fernen Rauschen. Auf meiner Kühlerhaube fand ich eine Kühltasche, gefüllt mit Roadkill-Gulasch. Ich warf sie in den Kofferraum und fuhr los.
    Wenn Sophie sich nach der Pressekonferenz auf den Heimweg gemacht hatte, musste sie jetzt oder gleich in der Weststraße ankommen. So unangemeldet bei ihr aufzutauchen, war nicht die feine Art, aber ich schätzte Sophie so ein, dass sie deswegen kein Theater machte. Sie wollte Gewissheit über Felix’ Tod, genau wie ich. Vielleicht fanden wir die, wenn wir unsere Informationen austauschten.

DREIUNDZWANZIG
    Sophie war noch nicht da, stattdessen traf ich Käshammer vor ihrem Haus. Breitbeinig, die Hände in den Hosentaschen, stand er vor Gertis Garten, den ich zum ersten Mal in diesem Sommer bei Tageslicht sah. Ein üppiger Wildwuchs aus Blumen, Kräutern und Unkraut, vor dem sich Käshammer in dem weißen Hemd mit rosa Streifen wie ein verirrter Gast beim Sonntagskaffee ausmachte. Er war mindestens genauso überrascht, mich zu sehen, wie ich ihn, fand aber vor mir die Sprache wieder.
    Â»Da kriegt die Sophie heute aber ein großes Begrüßungskomitee«, schwatzte er los. Umständlich zog er den schwarzen Gürtel in Form, der seine Hose unterhalb des Bauches festhielt, gleichzeitig platzte er fast vor Neugierde. »Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie zwei sich näher kennen.«
    Â»Ja, die Ereignisse der letzten Tage … Sophie hat immer ein offenes Ohr gehabt«, antwortete ich vage.
    Käshammer war kein Freund von Sophie. Obwohl in der gleichen Partei, hatte er ihre Kandidatur lange torpediert. Die zwei Mal, die ich die beiden gemeinsam erlebt hatte, waren von gegenseitigem Belauern und spitzen Wortduellen geprägt. War er als Parteifreund auf ihrer Pressekonferenz gewesen? Hatte sie etwas gesagt, das ihn misstrauisch gemacht hatte? Etwas, mit dem er sie unter Druck setzen wollte? Etwas, das FK entgangen war? Oder wollte er schön Wetter machen, jetzt, wo es so aussah, als könnte sie die Wahl am Sonntag für sich entscheiden?
    Â»Typisch für sie! Kümmert sich um alles und jeden und verliert trotzdem nicht ihr Ziel aus dem Blick«, schwadronierte er weiter. »Sogar jetzt, wo ihr Mann tot ist. Schlimme Sache … Wissen Sie, dass meine Frau ihn mit ins Tal genommen hat?«
    Ich schüttelte den Kopf. Woher auch?
    Â»Frauen und ihre Hobbys! Meine Karin schwört auf Meditation. Deshalb musste sie in Allerheiligen in der Pause gehen, weil sie den letzten Flug von Baden-Baden nach Berlin gebucht hatte. Sie hat Felix im Kreisverkehr beim Scheck-in-Supermarkt herausgelassen«, erzählte er, als wären wir alte Bekannte. »Felix hatte schon gut getankt und den ganzen Weg über kein Wort gesagt. ›So ein stierer Blick ins Nirgendwo, ganz in einer anderen Welt‹, hat meine Frau gemeint, als würde ihn gar nichts mehr jucken, als wäre alles für ihn nur noch Bibbeleskäs. Hoffentlich fällt er nicht über die eigenen Füße oder rennt gegen einen Baum, ist meiner Frau durch den Kopf gegangen, aber dann hat sie gedacht, dass Besoffene wie alte Ackergäule immer den Weg heimfinden.«
    Â»Kein Wort?«, echote ich und konnte mich nicht gegen die Frage wehren, die plötzlich meinen Kopf füllte. Wie sollte ein Besoffener, der sich zudem mit Schlaftabletten vollgepumpt hatte, auf dem schmalen Geländer einer Brücke sitzen und sich so lange festhalten, bis er tot ins Wasser fiel?
    Â»Schon sehr merkwürdig, die Sache. Da liegt er am nächsten Tag tot im Fautenbach, so wie der Murnier tot im Aubach lag. Schlaftabletten soll er geschluckt haben, aber Selbstmord scheidet aus, weil er sich nicht

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