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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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strahlte auch.
    Wir strahlten uns gegenseitig an, und das Strahlen löschte alle Fragen in meinem Kopf aus. Wie weggeblasen waren sie, mit einem Mal völlig ohne Bedeutung. Vor mir stand der Mann, mit dem ich Valse musette getanzt, der mir wundervolle Sachen ins Ohr geflüstert, mit dem ich großartigen Sex gehabt hatte. Und sein Strahlen sagte mir, dass die Aussichten gut standen, all diese Dinge zu wiederholen. Wieso küsste er mich nicht? Wieso fiel ich ihm nicht um den Hals?
    Â»Ich muss oben an der Baumgrenze noch zwei Reihen Riesling auf Gewitterschäden kontrollieren, dann bin ich hier fertig. Kommst du mit?«, fragte Luc, der als Erster von uns die Sprache wiederfand.
    Aus den Augenwinkeln sah ich sehr wohl, dass die beiden jungen Frauen nicht weiterarbeiteten, sondern uns neugierig beobachteten. Engländerinnen? Amerikanerinnen? Australierinnen? – Jetzt verstand ich. Luc wollte mit mir allein sein.
    Â»Warum nicht?«, gab ich zur Antwort.
    Â»Welche Größe?«, fragte er und deutete auf meine Schuhe.
    Â»Zweiundvierzig.«
    Er war schnell beim Auto, öffnete den Kofferraum und holte ein paar Gummistiefel heraus.
    Â»Probier die.«
    Wie umsichtig von Luc! An so etwas hätte ich überhaupt nicht gedacht, mich erst im Nachhinein geärgert, wenn die hellen Allstars versaut gewesen wären. Ich stützte mich am Auto ab, um die Schuhe zu tauschen. Sie passten so grade. Die beiden Frauen glotzten mich weiter an. Ich kam mir vor wie auf dem Präsentierteller. Wer waren sie? Was hatten sie mit Luc zu schaffen? Wie einfache Arbeiterinnen sahen beide nicht aus.
    Â»Bist du so weit?«, fragte Luc.
    Ich warf die Schuhe in den Kofferraum meines Autos und stiefelte dann hinter ihm her. Der Berg war steil, der Boden nach dem Regen rutschig, bald klebten Erdklumpen unter der Stiefelsohle und machten das Ansteigen noch mühsamer. Doch Luc störte das nicht. Er schritt zügig aus, ich hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Ich drehte mich um, sah die beiden jungen Frauen, die sich wieder an die Arbeit gemacht hatten, kleiner und kleiner werden. Scherwiller lag mir bald zu Füßen, links zwischen den Reben leuchtete das Weiß von Lucs Haus, dahinter erstreckte sich die Ebene, die der Rhein als glitzerndes Band teilte. Auf der anderen Seite des Flusses verschwamm wie in Pastell gemalt der Schwarzwald mit dem Himmel. Als ich weiterkletterte, sah ich, dass Luc schon vorangegangen war. Er wartete oben auf mich, zog mich zu sich hinauf, ließ meine Hand nicht los, als ich schon längst vor ihm stand. Sein Gesicht war mir so nah, dass ich seine Bartstoppeln hätte zählen können. Meine Hand befreite sich aus der seinen und fuhr ihm über die Wange.
    Â»Da sind auch schon ein paar graue drunter«, flüsterte ich.
    Da packte Luc meinen Kopf von hinten und küsste mich. Es fühlte sich so gut an wie beim ersten Mal.
    Â»Himmel«, flüsterte Luc danach. »Es funktioniert! Ich habe gar nicht gewusst, ob ich das noch darf, nach allem, was passiert ist.«
    Â»Mir hat es auch den Boden unter den Füßen weggerissen, als ich gehört habe, dass der Tote dein Vater ist«, sagte ich und merkte, wie alle Fragen in meinen Kopf zurückkehrten. »Mein Beileid, übrigens.«
    Â»Beileid, vergiss es«, entgegnete Luc. »Ich trauere nicht, weil mein Vater tot ist … Er war ein furchtbarer Tyrann. Nicht, dass ich ihm so ein Ende gewünscht hätte, aber es macht mich wütend, dass sein Tod immer mit unserem Anfang verbunden bleibt. So als wollte er mir über den Tod hinaus nicht gönnen, dass ich mich in dich verliebt habe.«
    So eine ähnliche Wut hatte mich vor zwei Tagen auch gepackt. Bei Luc war die Wut noch ein bisschen irrationaler als bei mir, sein Vater war schließlich nicht aus Boshaftigkeit Luc gegenüber gestorben, man hatte ihn umgebracht. Aber Wut hielt sich genau wie die Liebe nicht an die Regeln der Vernunft. Denk an deine Fragen, sagte mir die.
    Â»Hast du etwas mitbekommen vorletzte Nacht?«, traute ich mich vorsichtig an die erste heran. Die Antwort kam prompt.
    Â»Wie denn? Da warst nur du! Selbst im Schlaf habe ich von dir geträumt.«
    Das glaubte ich nur zu gerne. Mir wurde ganz wohlig. Ich hätte ihn am liebsten geherzt und gedrückt und ihm hier mitten in den Reben die Kleider vom Leib gerissen … Denk an deine Fragen, ermahnte mich die Vernunft wieder.
    Â»Aber irgendwann

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