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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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nach ihm gesucht? Oder hatte sie beleidigt über das sang- und klanglose Verschwinden des Gatten ein letztes Glas Wein getrunken und war dann schlafen gegangen, in der Hoffnung, dass er sich irgendwann zu ihr legen würde? Oder hatte sie ihn daheim angetroffen, sich mit ihm gestritten – verärgert genug war sie ja – und Felix war danach aus dem Haus gelaufen?
    Ich hielt die vielen Fragen und das Hinausstarren nicht mehr aus. Getrieben von was weiß ich, schlüpfte ich in frische Klamotten und lief aus dem Haus. Nein, nicht den Polizeiwagen hinterher, sondern in die andere Richtung. An der Metzgerei Jörger und der alten Milchzentrale vorbei, weiter die Straße am Bach entlang, die mich zur Bahnunterführung brachte. Ein Intercity auf dem Weg nach Basel zerriss die Stille der Nacht. Sein Fahrtwind schreckte die Haselsträucher und Wildrosenbüsche am Bahndamm auf und rüttelte sie kräftig durch. Noch vollgesogen mit Wasser, tropften sie dicke Pfützen auf den Weg. Der Zug verschwand im Dunkeln, schnell kehrte wieder Ruhe ein.
    Auch Scherwiller lag an einer Bahnlinie, fast mittig zwischen Straßburg und Colmar, was dem Ort den Vorteil brachte, dass er zum Bauen und Wohnen für viele interessant wurde, die in Straßburg oder Colmar arbeiteten. Scherwiller, das früher so groß wie Fautenbach war, hatte heute deutlich mehr Einwohner.
    Luc! Endlich wagte ich wieder an ihn zu denken. Diesen zweiten Mord konnte er nicht begangen haben, ein besseres Alibi, als währenddessen von der Polizei verhört zu werden, gab es nicht. Aber den ersten … Nein, nein, nein. Was immer die Polizei gegen ihn in der Hand hatte, es würde sich als Irrtum erweisen. Zu gerne hätte ich FK s Optimismus geteilt, was die Fähigkeit der Polizei links und rechts des Rheins betraf, aber es gelang mir nicht. Wieso hatten sie sich auf Luc eingeschossen? Ich hatte doch ausgesagt, dass er die ganze Nacht bei mir war. Wieso glaubten sie mir nicht? In Gedanken sah ich, wie er sich unruhig in einer kargen Zelle hin- und herwälzte, vielleicht wie ich keinen Schlaf fand.
    Â»Alles wird gut«, murmelte ich, aber ich konnte selbst nicht dran glauben.
    Ich lief weiter am Bach entlang. Der Vollmond, bis jetzt hinter schweren Wolken versteckt, tauchte kurz auf, schickte einen kalten Lichtstrahl auf die graue Straße und verschwand wieder. »Fautenbach ist ein Straßendorf«, hatten wir in der Grundschule bei Fräulein Giersig gelernt, »weil ursprünglich alle Häuser in die Nähe des Baches gebaut worden waren.« Klar. Für alles brauchte man Wasser. Zum Trinken, zum Kochen, zum Schlachten, zum Bewässern, zum Waschen. Das Wasser ein Segen, das nur bei Hochwasser zum Fluch wurde. Aber dank des Rückhaltebeckens gab es schon jahrzehntelang keine Hochwasser mehr, nur noch friedliches Plätschern. Dunkel erinnerte ich mich, dass es früher schon Tote im Bach gegeben hatte. Kinder, denen das Wasser beim Spielen zum Verhängnis geworden war.
    Auch im Unterdorf brannte nirgendwo Licht. Halb vier Uhr morgens zeigte meine Armbanduhr an, die schlimmste Zeit, wenn man keinen Schlaf fand. Nie war man den Gespenstern der Vergangenheit und nagenden Zweifeln so hilflos ausgeliefert wie zwischen drei und fünf Uhr morgens. Nicht stehen bleiben! Weiterlaufen! Nur so ließen sich die Ängste vertreiben.
    Vor mir tauchte die Lagerhalle der Spedition Ketterer auf, der Schriftzug über dem Tor noch aus den Zeiten von Felix’ Vater, Schreibschrift, rot auf gelbem Grund, typisch sechziger Jahre. Davor parkte ein schnittiger kleiner Renault. Sophies Wagen, vermutete ich. Das alte Wohnhaus daneben lag genauso im Dunkeln wie alle anderen Häuser des Dorfes. Von Gertis Garten, der das Haus ganz umgab, wehte mir Rosenduft entgegen. Zitronig, frisch, wie ein ganz leichtes Parfüm. Der launische Vollmond, der mal wieder aus den Wolken lugte, zeigte mir nicht nur die prächtigen Rosenstöcke, die diesen Duft versprühten, sondern auch das Kiwi-Spalier, Dahlien, Hortensien und Astern, Lavendel- und Rosmarinsträucher, riesige Töpfe mit Oleander und eine Clematis, die sich in blauvioletter Blütenpracht neben dem Eingang zum Balkon im ersten Stock hinaufrankte.
    Dort, im ersten Stock, flammte plötzlich Licht auf, und Sophie erschien mit dem Telefon in der Hand am Fenster. Sie schüttelte immer wieder den Kopf, patschte wie Halt suchend die Hand an die

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