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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Fensterscheibe, nahm sie wieder weg, presste den Kopf gegen das Glas, drehte sich weg, verschwand aus meinem Blickfeld. Der Anruf von der Polizei, sie erfährt, dass Felix tot ist, schoss mir durch den Kopf. War ich deshalb hier? Hatte ich ihr sagen wollen, dass Felix tot war? Weil ich ihn gefunden hatte? – Ich wusste es nicht.
    Aber ich fühlte so sehr mit ihr, als träfe mich selbst diese furchtbare Nachricht. Mein Magen rebellierte und wollte schlagartig all die Rossler, Borbler und Tobis ausspeien, mit denen ich mich betäubt hatte. Während ich neben einem Rosmarinstrauch würgte und spuckte, schlugen im Haus Türen an. Schon eilte Sophie auf den Hof, sprang in den Renault, startete den Wagen. Wie ein ungebetener Gast duckte ich mich hinter den Rosmarinstrauch, damit ich beim Wenden des Autos nicht ins Visier der Scheinwerfer geriet.
    Sophie war keine, die Horrorgeschichten, die man ihr am Telefon erzählte, glaubte. Sophie war eine, die Gewissheit brauchte. Sie musste mit eigenen Augen sehen, dass ihr Mann tot war. Ich war mir sicher, dass sie direkt zum Rückhaltebecken fuhr. Ich würde an ihrer Stelle genauso handeln.
    Ich entdeckte zwischen den Oleanderkübeln einen alten Brunnentrog, der voll Regenwasser gelaufen war. Ich spülte mir damit den Mund aus, dann machte ich mich auf den Rückweg.
    Als ich an der Linde ankam, sah ich einen Leichenwagen auf die Talstraße abbiegen. So viel nächtlichen Verkehr gab es auf dieser Straße selten, irgendeiner würde von dem Lärm wach werden und den Leichenwagen sehen. Ich schätzte, dass am Morgen jeder im Dorf über Felix’ Tod Bescheid wissen würde.

VIERZEHN
    Heftiger Druck auf der Stirn, ein Magen wie bei hohem Seegang, schmerzhafte Blitze in den Augen, ein Pesthauch von einem Atem. Als ich die Augen aufschlug, stemmte sich mein Körper mit allen Strafmaßnahmen, die ihm zur Verfügung standen, gegen die Schnäpse, die ich mit Carlo getrunken hatte. Ich befand mich tatsächlich in meinem Bett. Harrison Ford lachte mich putzmunter von der Wand an, ich drehte sein Foto um. Einen gut gelaunten Mann konnte ich in diesem Zustand nicht ertragen. Eigentlich konnte ich nichts und niemanden ertragen, also zog ich mir die Bettdecke über den Kopf. Aber der helle Morgen, der Berufsverkehr und der tote Felix drangen durch das Plumeau zu mir hindurch, es half nichts, Augen und Ohren zu verschließen.
    Das abrupte Aufstehen bescherte mir einen Schwindelanfall, und mein Magen deutete an, dass er gestern Nacht nicht alles in den Rosmarinbusch entleert hatte. Ich schaffte es ins Bad, erbrach die Reste des Borbler-Gelages, schüttete mir kaltes Wasser ins Gesicht, löste zwei Aspirin im Zahnbecher auf, trank die Medizin in schnellen Schlucken und merkte, wie mein Kopf durch lärmiges Waschmaschinenschleudern strapaziert wurde.
    Waschmaschine. Wäsche. Hatte ich gestern Nacht wirklich im Wäschekorb nachgesehen, ob Marthas Wäsche nass oder dreckig war? Auf dem Weg zurück zur Linde war mir das eingefallen. Weil ich mir doch so unsicher war, ob ich Martha tatsächlich gesehen hatte. Wenn sie am Rückhaltebecken gewesen war, dann musste sie durch den Regen geradelt, also nass geworden sein, hatte ich überlegt. Also hatte ich in der Dreckswäsche nach der Bluse mit den Paradiesvögeln gesucht und sie unter meiner feuchten, verdreckten Jeans und einem sehr nassen BH gefunden. Beides hatte ich nach dem Duschen in den Wäschekorb gesteckt. Marthas Bluse war feucht, aber wodurch? Durch meine Klamotten oder schon davor? Ich wusste es nicht, und jetzt ließ sich das überhaupt nicht mehr überprüfen. Denn sowohl Marthas Paradiesvögel als auch Jeans und BH schäumten in der Trommel der Waschmaschine.
    Als ich nach dem Duschen mit aufgedrehtem Frotteeturban in den Spiegel schaute, erschrak ich. Das war nicht mein Gesicht, das war Marthas. Die grauen Ringe unter den Augen, die zwei tiefen Falten, die sich von den Wangen bis zum Kinn zogen, der runzelige Hals, der erste Altersfleck unter dem rechten Auge. Je älter ich wurde, desto mehr ähnelte ich ihr. So wie sie jetzt würde auch ich mit Mitte siebzig aussehen. Ihre Hülle hatte sie mir vererbt, aber ihre Gedanken- und Gefühlswelt war mir so fremd wie die eines Südseeinsulaners. Schnell löste ich den Turban, rubbelte die Locken trocken. Immer noch rot, noch keine grauen Fäden, mein väterliches Erbe.

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