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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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sprechenden Polizisten. Sie hob ihr Handy hoch und sagte: »Alles klar, Jake – ich habe die zuständigen Stellen in Phnom Penh erreicht! Wir haben alles geklärt … warum wir in die Ebene der Krüge gekommen sind. Es ist alles okay, wir können gehen.«
    Chemda hatte es geschafft, sie hatte sie freibekommen. Sie hatte Jake massive Prügel erspart. Die Stimmung hatte umgeschlagen. Unerklärlicherweise. Der Englisch sprechende Polizist nickte dem Zimmer, nickte jedem zu, als wollte er sagen: Es ist vorbei, vorerst.
    Ohne ein Wort über das gerade Geschehene zu verlieren, stand Jake auf. Der dünne laotische Polizist starrte wütend, aber gefasst aus dem schmutzigen Fenster.
    Türen wurden geöffnet. Hände wurden flüchtig geschüttelt. Der Englisch sprechende Polizist begleitete sie aus dem Büro. Auf dem Weg nach draußen erklärte er ihnen, dass sie zwar frei seien, aber so lange in Phonsavan bleiben müssten, bis die Ermittlungen endgültig abgeschlossen seien.
    Als sie aus der Polizeistation ins Freie traten, entließ der Englisch sprechende Polizist sie mit einem weiteren unergründlichen Grinsen. »Tja, dann ist Ihre Rundreise wohl beendet. Immerhin handelt es sich hier um einen Mordfall. Ich würde Ihnen raten, sich das immer vor Augen zu halten. Laos ist nicht Kambodscha. Sabaydee .«

    Erleichtert gingen Jake und Chemda die Eingangstreppe der Polizeistation hinunter und tauchten in das Gewimmel von Phonsavan ein.
    Schlammbespritzte Pick-ups karrten Landarbeiter die breite Hauptstraße hinunter. Mädchen in bunten, mit Silbermünzen und -ketten behangenen Jacken spähten lächelnd in Läden mit chinesischen Snacks und winzigen Bananen.
    »Jetzt könnte ich einen Kaffee vertragen«, sagte Jake seufzend. »Jetzt brauche ich einen Kaffee.«
    Chemda nickte. »Gleich dort hinten ist der Markt. Dort gibt es ein Café.«
    Sie überquerten die stark befahrene Hauptstraße; der rissige Beton der Fahrbahnen und Gehsteige führte zu einem autofreien Platz voller Menschen. Und Tische. Und plappernder Händler. Und Fliegen.
    Viele der Tische und Theken wurden von ramponierten Blechdächern vor der sengenden Sonne geschützt. Auf den Verkaufstischen lagen einheimische Lebensmittel und Tiere: tote Wildkatzen, Eulen, strangulierte Hermeline und kleine Dschungelhunde, deren Zähne sogar im Tod noch wild gefletscht waren; es gab Flaschen mit in Essig eingelegten gelbschwarz gestreiften Hornissen, auf Tischen mit blutigem Eis gammelten stinkende Flussfische vor sich hin – und dazwischen immer wieder Berge geschlachteter Reisfeldratten. Jake war an die Reichhaltigkeit und Ausgefallenheit südostasiatischer Essgewohnheiten gewöhnt, aber Rattenberge hatte er noch nie gesehen.
    Chemda setzte sich an den wackligen Tisch des kleinen Markt-cafés und musterte Jake, der den Blick nicht von den Haufen mit braunen Ratten losreißen konnte.
    »Das sind Reisfeldratten«, erklärte sie ihm. »Sie gelten hier als Delikatesse. Du wirst in ganz Laos keine besseren finden. Was Ratten angeht, ist Phonsavan einsame Spitze.«
    Jake musste grinsen über ihren tapferen, wenn auch merklich bemühten Versuch, den Humor nicht zu verlieren. Aber das Blut an den Schnauzen der geschlachteten Ratten erinnerte ihn an das Blut auf dem Boden des schäbigen Hotelzimmers, an das Blut des alten Kambodschaners, das immer noch in den Profilen seiner Stiefelsohlen klebte. Grausig. Wie knapp war er auf der Polizeistation gerade einem ähnlichen Schicksal entgangen?
    »Was ist nun eigentlich genau passiert, Chemda? Hat Tou den alten Professor tatsächlich umgebracht? Ich verstehe das alles einfach nicht.«
    Sie blickte auf den Stoff ihrer modischen Indigojeans hinab, die jetzt staubig und verdreckt war. Dann schüttelte sie den Kopf und verbarg mit einer anmutigen Geste, die Jake an die vornehme Zurückhaltung einer Angkor-Prinzessin erinnerte, ihre Augen.
    Schließlich ließ sie die Hand wieder sinken und sagte:
    »Würde es dir was ausmachen, wenn wir uns in die Sonne setzen?«
    Sie rutschten auf den kirchenstuhlartigen Bänken des Cafés aus dem Schatten ins Licht; die Sonne war tatsächlich stark, zwar von Hochlandkälte durchsetzt – aber intensiv. Heilkräftig. Wärmend. Beide wandten ihre erschöpften Gesichter der Wärme zu und sogen sie eine Weile schweigend auf.
    Schließlich sagte Chemda: »Tou kann es nicht gewesen sein. Vollkommen ausgeschlossen. Er hat, ähm, zum Team gehört.«
    »Aber er ist abgehauen.«
    Chemda zuckte mit den Achseln. Sie hatte

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