Bienensterben: Roman (German Edition)
Frauenstimme hinter mir, und als ich mich umdrehe, steigt da dieses Thirtysomething-Pärchen aus einem VW Beetle. Ich wäre am liebsten tot umgefallen.
»Soll ich euch helfen?«, fragt Kirkland Mummy.
»Ja, gern«, sagt Mummy zu Kirkland.
Ich geh hinterher.
»Kann ich was helfen?«, fragt Marnie Daddy.
»Ich glaub, wir haben alles«, sagt Daddy zu Marnie.
Das Auto stand schon die ganze Zeit da, und sie haben gesehen, wie ich wie eine Bekloppte gegen ihre Haustür getreten hab.
Nach ein paar Minuten ist klar, dass sie mich für Kirklands Freundin halten, und noch klarer, dass sie darüber nicht gerade glücklich sind. Am liebsten würde ich sie aufklären und ihnen sagen, dass ich Kirkland nicht mal mit Gummihandschuhen anfassen würde, damit sie sich wieder locker machen, aber die Sache mit der Tür ist mir so peinlich, dass ich den Mund halte.
Sie sehen beide gut aus und sind ziemlich jung. Seine Mum sagt, ich soll sie Fiona nennen, und sein Vater sagt, er heißt Gus. Sie ist schick und er nicht, aber anscheinend haben sie Kohle. Wie sich rausstellt, ist sie Journalistin und er schreibt den Scheiß, der im Fernsehen läuft.
Sie bleiben eine Weile ziemlich eisig, aber sie wissen, dass sie auftauen müssen, Kirkland zuliebe, und am liebsten würden sie mich mit Fragen zuballern, klar.
Erste Frage.
»Und auf welche Schule gehst du, Marnie?«
Die unhöflichste Frage, die man in Glasgow gestellt kriegen kann, neben »Wo wohnst du?«, weil, einfach nur Maryhill zu sagen, ist zu ungenau. Es gibt nämlich auch nette Ecken in Maryhill, ob man es glaubt oder nicht, aber da wohn ich nicht. Es reicht nicht, einfach nur Maryhill zu sagen, und meine Antwort wird das negative Urteil bestätigen oder widerlegen, das sie schon über mich gefällt haben. Das kriegen sie zurück, überleg ich mir, sollen sie ruhig ein bisschen schwitzen.
Ich rücke ein Stück näher zu Kirkland, tu so, als wär ich seine Freundin, und leg meine Hand neben seine, wobei ich ihn kaum berühre, gerade so viel, dass es reicht, um Mr. und Mrs. Doch-nicht-so-liberal-wie-sie-denken ein bisschen zu schockieren. Dann lass ich die Katze aus dem Sack.
»Ich wohne in Sighthill, Gus, aber im Moment besuche ich die Maryhill Academy.«
»Ganz schön weiter Weg«, sagt er.
»Es ist eine gute Schule«, antworte ich. »Das ist doch das Wichtigste.«
Ich wohne natürlich nicht in Sighthill, ich wollte ihn nur ein bisschen nervös machen, und wie erwartet rutscht den beiden die Mimik weg.
Die nächste Frage stellt er lieber nicht.
Wie zum Geier kommt mein Sohn an eine Schlampe aus Sighthill?
Auch sie verkneift sich manche Fragen.
Nimmst du Drogen? Gehst du anschaffen?
Die Spannung im Raum ist förmlich spürbar und gar nicht übel, anders als der grüne Tee, den sie in so einer winzigen Teekanne mit farblich passenden Eierbechern servieren. Sie können es gar nicht abwarten, dass ich danach frage, damit sie über ihre tolle Zeit in Tibet schwallen können. Fünf Minuten in diesem Raum, und mir kommt’s schon hoch von diesen Leuten, und von ihrem Scheißtee auch.
Um die Atmosphäre ein bisschen aufzulockern, erzählt Kirkland, dass ich auf dieselbe Schule gehe wie Lorna. Fiona mag Lorna. Fühlt sich irgendwie sicher, jetzt, wo ihr Name im Raum steht, bezeichnet sie sogar als talentiert. Anscheinend spielt Lorna Gitarre. Auf so was gehen sie voll ab, und wir reden über die Förderprogramme in Maryhill. Susie macht bei so einem mit, bei dem Schauspiel-Projekt. Dann ziehen sie über Lornas konservative Eltern ab, aber nur, um zu betonen, für wie fortschrittlich sie sich halten. Als Nächstes haben sie Kirkland am Wickel, dass er ja mal Arzt wird und nach Afrika geht, und das verwirrt mich, weil ich das erste Wort davon höre, dass er in die Medizin oder nach Afrika will. Aber Kirkland dann: »Ich hab euch doch gesagt, ich will nicht Arzt werden.«
»Natürlich willst du das«, sagt Fiona.
»Nee, will ich nicht.«
»Das heißt nicht ›nee‹, das heißt ›nein‹«, sagt Gus.
»Ich sag doch nur, dass ich nicht Arzt werden will.«
»Wolltest du aber mal«, sagt Fiona.
»Wollen Sie, dass er Arzt wird?«, frage ich.
Fiona wirft mir den biestigsten Blick zu, den ich je gesehen hab, und dann sagt sie: »Kirkland hatte großes Glück im Leben. Wir alle. Es ist wichtig, der Welt etwas zurückzugeben. Daran glauben wir. Wir sind Buddhisten.«
Wundert mich überhaupt nicht, klar sind die Buddhisten. Ich guck mich um, und natürlich steht da
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