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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa O'Donnell
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macht.

Lennie
    Nelly ist fuchsteufelswild geworden, wirklich eine Schande angesichts des herrlichen Geburtstagskuchens, den ich ihr gebacken hatte, einen Himbeerbiskuit mit Buttercremefüllung und einer himmlischen Likörsoße. Ich hätte schreien können, als sie ihn an die Wand geworfen hat. Sie hätte ihn wenigstens vorher kosten können. Sie ist wirklich noch ein Kind, war völlig in Tränen aufgelöst, während ich mich gefragt habe, wie ich den verdammten Kuchen wieder von der Tapete bekommen soll. Den Hintern hätte man ihr dafür versohlen müssen. Oh, was meine Mutter für ein Gesicht gemacht hätte, wenn ich bei uns zu Hause auch nur einen Teelöffel irgendwo hingeworfen hätte! Sehr streng war sie, während mein Vater die meiste Zeit seines Lebens in einem Sessel am Fenster saß, Zeitung las und seine Brille putzte. Ich glaube, er hat in fünfunddreißig Jahren nicht ein einziges Mal zu mir hochgesehen, und als er es dann ein Mal tat, war er auf den Allerwertesten gefallen und brauchte Hilfe, um wieder auf einen Stuhl zu kommen.
    »Gut gemacht, Lennie«, sagte er.
    Als meine Mutter starb, war er plötzlich ganz allein im Haus, aber ausziehen? Nein.
    »Hier ist mein Zuhause und hier bleibe ich, ich werde nicht in einem Krankenhausbett vor mich hin siechen. Lieber falle ich hier tot um«, schrie er, und genau so kam es dann auch. Er hatte Eve angerufen und sie gefragt, ob sie nicht vorbeikommen könne, er fühle sich nicht gut, aber meine Schwester hatte keine Lust, also hat das dreiste Luder einfach bei mir angerufen. Er hatte einen Schlaganfall erlitten, und sein magerer Körper war so kalt, dass ich nicht genau sagen konnte, wie lange er schon dort gelegen hatte, aber wahrscheinlich nicht lange, alte Leute sind ja immer kalt, nicht wahr? Trotzdem plagte mich mein Gewissen, noch lange danach. Noch heute frage ich mich, ob ich schneller hätte bei ihm sein können, aber ich saß schließlich gerade beim Abendessen. Ich wusste ja nicht, dass er sterben würde.
    Ich überlege mir oft, wo ich am liebsten sterben möchte. Ich bin ein alter Mann und in letzter Zeit ziemlich kränklich. Der Arzt sagt, ich soll mal zum MRT , er möchte das eine oder andere gern ausschließen. Schaden kann es ja nicht.
    Ich weiß nicht recht, warum, aber ich mache mir viele Sorgen im Moment, besonders um meinen Hund … ach … ich mache mir Sorgen, um den Hund … große Sorgen. Um den Hund. Ich mache mir Sorgen um den Hund. Ich habe Sorge um den Hund.

Nelly
    Robert T. Macdonald hat meinen Geburtstag mit keinem Wort erwähnt. Er weiß nichts davon, und darüber bin ich froh. Es gibt keinen Kuchen und keine Kerzen, es gibt Eier mit Speck. Die Speise der Proletarier. Außerdem gibt es Kartoffel-Scones, aber ich mache mir nichts aus alldem. Ich esse nur, was ich esse.
    Er schlürft den Tee wie ein Bauarbeiter, bemerke ich. Er bietet mir Bohnen an. Und Cola, in einem Glas. An Cornflakes mangelt es.
    »Ich brauche Cerealien«, verkünde ich.
    Er sagt der Kellnerin Bescheid. Sie nickt und bringt mir eine Portionspackung Krispies.
    »Nein«, stoße ich entsetzt hervor. »Ich brauche Cornflakes. Cornflakes. Bitte. Das hier kann ich nicht essen. Ich möchte Cornflakes.«
    »Ist ja schon gut, ist ja schon gut. Wir besorgen dir deine Cornflakes«, versichert er mir.
    Seine Stimme ist sanft, und ich beruhige mich weitgehend.
    Die Kellnerin kommt geschwind zurück.
    »Können Sie die bitte wieder mitnehmen?«, fragt er. »Wir brauchen Cornflakes.«
    »Hab ich schon gehört«, sagt sie scherzhaft. Diese Schreckschraube. Klimpernde Ohrringe und Fingernägel wie Nosferatu persönlich. Eine billige und zwielichtige Person. Einige Minuten darauf kommt sie mit einer Schachtel derselben Größe zurück, darin das wohl beste aller Nahrungsmittel. Ich übergieße die Cornflakes mit Cola und blicke auf die perlende, knusprige Schale vor mir.
    »Lecker, nicht wahr?« Er lächelt.
    Ich nicke.
    »Unvergleichlich«, sage ich zu ihm.
    Er stellt mir Fragen, über Izzy, über Gene, aber hauptsächlich über Lennie. Ich habe keine Fragen, nicht an Robert T. Macdonald, ich habe lediglich Antworten, allesamt Lügen. Lügen sind derzeit unumgänglich. Ich verschweige ihm auch unseren Ausflug an den Loch. Das geht ihn nichts an, ihn geht überhaupt nichts etwas an.

Frühjahr

Lennie
    Saftig grüne Täler und ockerfarbene Anhöhen, die lange Fahrt nach Firemore. Ich hatte Sandwiches für unterwegs gemacht. Schinken und Käse. Eine Thermoskanne Tee. Ich liebe Tee.

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