Bier auf Wein, das lass sein!
musste eingeteilt werden. Da war es sicher besser, mit knurrendem Magen ins Bett zu gehen als morgens hungrig zur Arbeit. Wenn die Menschen also abends nicht mehr viel aßen, dann der Not gehorchend und nicht, weil sie um ihre gute Figur bangten.
Dass reichliches Essen am Abend keinesfalls besonders anschlägt, beweisen die Franzosen: Den weitaus größten Teil ihrer täglichen Nahrungsmenge nehmen sie bei üppigen Menüs zu später Stunde zu sich, und man kann wahrlich nicht behaupten, dass sie im Durchschnitt dicker wären als wir. Für unsere Körperfülle ist entscheidend, wie viele Kalorien wir uns insgesamt zuführen und wie viele davon wir wieder verbrennen; dagegen spielt es keine Rolle, wann wir sie uns einverleiben. Jedenfalls gibt es bis heute nicht eine einzige wissenschaftliche Untersuchung, die einen derartigen Zusammenhang beweist.
Das bedeutet nun aber nicht, dass es grundsätzlich belanglos ist, wie viel wir abends zu uns nehmen, denn wer schon tagsüber isst wie ein Scheunendrescher und abends auch noch enorme Mengen in sich hineinschlingt, muss sich natürlich nicht wundern, wenn er aus der Form gerät.
Beim Essen spricht man nicht!
Niemand hat je gezählt, wie oft Kinder diesen Satz von ihren Eltern zu hören bekommen. Während der Mahlzeiten zu sprechen, gilt demnach als schlimmes Vergehen. Doch das ist absoluter Unfug!
Denn auch Benimmbücher erkennen mittlerweile an, dass es keinesfalls unhöflich, ja, im Gegenteil geradezu erwünscht ist, beim Essen zu reden. Schließlich stellt ein ausgiebiger Schmaus mit den Familienangehörigen, mit Freunden oder Geschäftspartnern unbestritten einen idealen Rahmen dar, sich zu unterhalten, Konzepte zu entwickeln oder Lösungen für Probleme zu finden. Wie sonst ist die Bezeichnung »Arbeitsessen« zu verstehen? Schließlich sind Essen und Trinken ohne Zweifel eine höchst genussvolle Angelegenheit; die Mahlzeit ist bestens geeignet als vergnüglicher Rahmen für gemeinsame offene und vielleicht auch kontroverse Gespräche und trägt dazu bei, unnötige Spannungen abzumildern oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Ungezählte große Ideen sind schon während gemeinsamer Gespräche beim Essen entstanden, und ungezählte Zwistigkeiten wurden dabei geschlichtet. In den meisten Familien, in denen die Eltern ihrem Beruf nachgehen und die Kinder die Schule besuchen, ist das gemeinsame Frühstück, Mittag- oder Abendessen praktisch das einzige Ereignis des Tages, bei dem alle zusammenkommen. Wieso sollte man eine solche Gelegenheit, vertraut miteinander zu plaudern und die anstehenden Probleme zu erörtern, ungenützt verstreichen lassen? Wenn Eltern ihren Kindern eintrichtern, während der gemeinsamen Mahlzeiten still dazusitzen und sich Essen und Trinken wortlos einzuverleiben, tun sie damit der familiären Eintracht bestimmt keinen Gefallen.Außerdem sorgen die durch Wortbeiträge erzwungenen Esspausen dafür, dass man das Essen nicht in einem Zug hinunterschlingt. Allerdings gibt es ein paar Regeln, die man beim Sprechen während des Essens unbedingt beachten sollte: Zum einen sollte jeder, der mehr als nur einige wenige Worte zu sagen hat, vorher das Besteck aus der Hand legen. Mit Messer und Gabel in der Luft herumzufuchteln und das Gesagte gestenreich zu unterstreichen, gilt als sehr unhöflich. Zum anderen sollte man natürlich nicht mit vollem Mund reden. Man ist dann kaum verständlich, die teilweise zerkauten Speisen sind für den Gesprächspartner wahrlich kein schöner Anblick, und zudem besteht sogar die Gefahr, dass man ihn damit bespuckt. Deshalb gehört es auch zum guten Ton, jemandem, der gerade kaut, keine Frage zu stellen. Und man darf natürlich auch nicht den soeben genommenen Bissen unzerkaut hinunterwürgen, um schnell wieder zu Wort zu kommen.
Eltern sollten den Satz »Beim Essen spricht man nicht!« vollkommen aus ihrem Sprachschatz streichen und lediglich dafür sorgen, dass die genannten wenigen Regeln von ihren Kindern befolgt werden, wenn sie sich während der Mahlzeiten ausgiebig mit ihnen unterhalten.
Mit Essen spielt man nicht!
Kein Kind, das diese Ermahnung nicht zu hören bekäme, und das in der Regel nicht nur ein einziges Mal, sondern immer und immer wieder. Dahinter steckt die Aussage: »So viele Menschen auf der Welt müssen hungern, da solltest du dankbar sein, nicht dazuzugehören, und das Essen entsprechend würdigen!«
Dabei ist natürlich keinem einzigen Unterernährten in einem Entwicklungsland geholfen, wenn
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