Biest: Thriller (German Edition)
nicht nur erfolgreich ihren Cluster-Kopfschmerz geheilt, sondern auch noch einiges mehr, ob sie das nun gewollte hatte oder nicht. Ihre Tasche mit der Festplatte aus dem AKW stand noch immer verschlossen auf Eddys Schreibtisch. Plötzlich öffnete sich die Tür wie aus heiterem Himmel, und Will Thater, ihr Chef, stand im Türrahmen. Höchstselbst. Solveigh kämpfte die Traurigkeit nieder. Es war ja noch nicht einmal klar, ob die Strahlen überhaupt etwas angerichtet hatten. Vielleicht war das alles auch nur Panikmache, wie so oft bei fragwürdigen Quellen im Internet. Werdende Mütter können ganz schön paranoid sein, hatte Solveigh auch an sich selbst in den letzten Wochen festgestellt. Sir William warf ihr kurz einen irritierten Blick zu, sagte aber nichts dazu. Stattdessen: »Solveigh, du musst zurück nach Deutschland. Wir haben einen Suizid bei einem Verwaltungsangestellten des AKW. Hat sich vor den Zug geschmissen, zusammen mit einer unbekannten Frau.«
Eddy wollte protestieren und setzte zu einem »Das geht im Moment …« an, aber Solveigh trat unter dem Schreibtisch mit dem Fuß gegen seinen Rollstuhl.
»Okay«, sagte sie und einen Augenblick später war Sir William aus der Tür.
»Das mache ich nicht mit«, murmelte Eddy und wieder flogen seine Finger über die Tastatur, schneller, als sie begreifen konnte.
»Also, dein Flug geht um 19.40 Uhr, da ist doch Zeit genug, noch einmal kurz bei Frau Dr. Prins vorbeizuschauen. Nur zur Sicherheit. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum du dich fertigmachen sollst. Vor allem, wenn es grundlos ist. Ich habe den Termin schon … in diesem Moment für dich vereinbart.« Er schaute auf.
»Ich mache mich nicht fertig, Eddy. Es ist in Ordnung.« Sie wusste selbst nicht, ob sie sich geglaubt hätte.
Er rollte auf ihre Schreibtischseite: »Slang, ich kenne dich. Nichts ist in Ordnung. Und das ist auch richtig so. Und auch wenn du nicht direkt zurück ins AKW sollst, brauchen wir Klarheit. Manchmal müssen wir bei allem Druck und der Geschwindigkeit, die sie von unseren Ermittlungen auch erwarten mögen, an uns denken. Und es gehört zu meinem Job, das für dich mit zu übernehmen. Und ich sage dir, jetzt ist so ein Fall. Keine Widerrede.«
Solveigh nickte dankbar. Sie wusste, dass er recht hatte.
»Wir sind ein Team«, fügte er hinzu. »Und ein verdammt gutes. Vergiss das niemals.«
Anderthalb Stunden später lag sie im Behandlungszimmer zwei bei Dr. Prins und starrte auf das schwarz-weiße Bild des Ultraschalls. Die Ärztin hatte sie fröhlich begrüßt, und sie hatte keine Veranlassung gesehen, ihr zu erzählen, wo genau sie die letzten achtundvierzig Stunden verbracht hatte und was sie getan hatte. Jetzt starrten sie gemeinsam auf den Monitor, und Solveigh kam es vor, als rutschte Dr. Prins nervös auf dem Stuhl hin und her. Sie setzte zum vierten Mal an, und der kalte Sensor tastete ihr Innerstes ab. Auf der Suche nach, ja nach was eigentlich? Dann steckte Dr. Prins den Ultraschall zurück in die Halterung neben dem Monitor, auf dem Solveigh noch immer nichts erkennen konnte. Aber das hatte sie noch nie. »In der achten Woche sieht man den Herzschlag schon ganz deutlich«, begann Dr. Prins …
KAPITEL 50
Barentsee, internationale Gewässer
04. Februar 2013, 07.12 Uhr (zur selbenZeit)
»Besatzung klarmachen zum Tauchen.« Wie ein Echo bestätigte ein dumpfer Chor, weit entfernt und in die Länge gezogen: »Tauchen.« Der Warnung folgte ein gleichmäßiges Rauschen von Wasser, als die Halland unter die Meeresoberfläche glitt. Dann wurde es still. Marcel zögerte nur einen kleinen Moment. Bitte lass es Yael sein, flüsterte er und hatte kurz darauf ein schlechtes Gewissen. Aber sie musste es einfach sein. Es durfte nicht sein, dass sie draußen auf dem Schlauchboot von einem Kugelhagel zerfetzt worden war. Wäre es nicht fairer, wenn es Aron getroffen hätte, der dafür ausgebildet worden war? Natürlich nicht. Der Tod war niemals fair, auch nicht für einen Soldaten. Er atmete noch einmal tief ein und zerrte dann die Mütze vom Kopf. Und erstarrte. Aron. Yael hatte es nicht geschafft. Und er war schuld. Sie hatte sterben müssen, weil er die verdammte Leiter nicht schneller hatte hochklettern können. Er hieb mit der Faust gegen die Wand aus Stahl. Aron war nicht bei Bewusstsein. Erst jetzt bemerkte Marcel die rote Blutlache, die sich unter seinem Körper gebildet hatte. Es war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass Aron verletzt sein könnte, dachte
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