Biest: Thriller (German Edition)
Haustürschlüssel, entging Peter auch die Aktivität auf seinem Computer, die in diesem Moment begonnen hatte. Ein kleines Programm entschied in dieser Sekunde, dass dieser Computer noch nicht der Richtige war, und schickte ein Signal durch das Netzwerk an einige nahe gelegene Drucker, auch an den vergilbten auf seinem Schreibtisch. Peter Bausch, der in dieser Sekunde den Videoclip zum zweiten Mal startete, lächelte. Der unsichtbare Feind lag auf der Lauer.
KAPITEL 39
St.Petersburg, Russland
01. Februar 2013, 16.12 Uhr (drei Tage später)
Heftiger Schneefall und Turbulenzen hatten Marcels Landung auf dem Pulkowo Airport in St. Petersburg zur Zitterpartie werden lassen. Als er mit seinem Weekender aus dem Flugzeug stieg, war er froh, diesen Teil der Reise hinter sich zu haben. Nach einer Dreiviertelstunde saß er endlich hinter dem Steuer eines Mietwagens und hoffte inständig, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nach Yaels Anruf vor zwei Wochen hatte er noch einmal versucht, den Bleistift beim Echo von seiner Theorie zu überzeugen. Ohne Erfolg. Und dann hatte er entschieden, es auf eigene Faust zu probieren. Sogar seine alte Kamera, die treue Nikon, hatte er für das Flugticket versetzen müssen. Aber Yaels Andeutungen hatten einfach zu verführerisch geklungen. Story des Jahres, hier bin ich. Und es fühlte sich verdammt noch mal besser an, als dieser wilden Affären-geschichte hinterherzudackeln, um dann in seiner Freizeit an der Stuxnet-Story weiterzuarbeiten und für immer auf dem Thema zu versauern. Stattdessen saß er in einem Skoda, dessen Scheibenwischer dem Schneetreiben kaum Herr wurden, allein aufgrund eines mysteriösen Anrufs einer israelischen Agentin, die möglicherweise wenig mehr als Sex von ihm erwartete, aber immerhin tat sich etwas. Auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Yael ihn für politische Zwecke instrumentalisierte. Die Israelis waren Meister im Instrumentalisieren, vermutlich deckte sich seine Publikation exakt mit den derzeitigen Interessen der israelischen Regierung. Ihm sollte es nur recht sein, wenn sie ihm eine handfeste Sensation frei Haus lieferten. Mit einem Blick auf die rutschige Fahrbahn ermahnte er sich, vorsichtiger zu fahren, wechselte auf die rechte Spur und warf einen Blick in den Rückspiegel. Seine Titelgeschichte schien zum Greifen nah. Natürlich konnte er sich bei Yael nicht sicher sein, aber er hatte in Tel Aviv nicht das Gefühl gehabt, dass sie ihn gerne betrogen und ausgenutzt hatte. Im Grunde war er sogar überzeugt davon, dass sie ihn gernhatte. Mindestens. Er vertraute seinem Bauchgefühl, aber er würde trotzdem vorsichtig sein müssen. Eines nach dem anderen, sagte er sich. Die Adresse, die sie ihm genannt hatte, lag seinen Recherchen nach in unmittelbarer Nähe der Synagoge, was ihn nicht verwunderte. Israel betrieb nicht ebendas, was man unter strikter Trennung von Staat und Kirche verstand. Offiziell gab es zwar keine Staatsreligion, aber insbesondere der Geheimdienst nutzte die jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt zum Rekrutieren von Agenten oder als Anlaufstelle. Wenn auch den wenigsten der Rabbiner eine aktive Mittäterschaft zu unterstellen war, duldeten sie dennoch ebenjene Praktiken, die sich über die Jahrhunderte als äußerst bequem und überaus effektiv herausgestellt hatten. Marcel zuckte mit den Achseln und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. Er schaltete das Radio ein und suchte eine Station, die irgendetwas Bekanntes spielte, als plötzlich sein Handy piepste. Ohne den Blick einen Wimpernschlag länger als notwendig von der Straße abzuwenden, die er ohnehin kaum erkennen konnte, warf er einen Blick auf das Display: eine SMS von Yael. Er musste anhalten, keine Chance, sie bei dem Wetter und der halsbrecherischen Fahrweise der Russen nebenbei zu lesen. Nachdem er über fünf Minuten auf eine Gelegenheit gewartet hatte, die ihm sicher genug erschien, lenkte er den Wagen kurzerhand auf den glücklicherweise flachen Bordstein. Er ließ den Motor laufen und rief die Nachricht auf:
»Planänderung: Wir treffen uns im Wolga-Café«, gefolgt von einer Adresse, die er kaum aussprechen konnte. Fluchend griff Marcel zum Stadtplan, den ihm der Mann bei der Autovermietung in die Hand gedrückt hatte. Er faltete ihn dreimal auseinander und wieder zusammen, bis er das Straßenregister gefunden hatte. Weil es die Mobilfunkkonzerne offenbar immer noch nicht geschafft hatten, internationale Datenflatrates zu vereinbaren,
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