Biest: Thriller (German Edition)
unvorbereitet träfe, wir hatten sogar genau dazu eine Lükex-Übung, die Ergebnisse habe ich …« Noch während er in seiner Tasche kramte, unterbrach ihn Solveigh leise: »Ich dachte eigentlich weniger an eine kleine schmutzige Bombe mit ein bisschen strahlenden Teilchen, Major Aydin.«
Der attraktive Türke blickte auf: »Nein? Woran denn dann?«
»Ich dachte eher an eine Gruppe von Terroristen, die mithilfe eines Computervirus ein Atomkraftwerk sabotiert.«
»Heilige Scheiße. Haben Sie konkrete Hinweise auf eine solche Aktivität bei EURATOM?«
»Ich bin nicht von EURATOM, Major. Ich komme von einer Einheit, die es offiziell nicht einmal gibt. Genauso wenig, wie es die konkreten Hinweise seit der ENSREG-Sitzung von vorletzter Woche noch gibt.«
Der Adamsapfel des Majors zuckte beim Schlucken: »Politik?«
Solveigh nickte: »Und trotzdem muss ich alles über atomare Strahlung nach einem Unfall wissen: Auswirkungen, Schutzmaßnahmen, Dekontamination. Und die Planungen der Bundesregierung für den Fall der Fälle: Welche Stellen werden hinzugezogen, was wird von wem abgeriegelt? Einfach alles. Und wir haben nur neun Stunden, Major.«
Der Soldat schüttelte bedächtig den Kopf, sagte dann aber: »Sie haben die Genehmigungen, Sie bekommen Ihre Informationen. Und ich werde mir alle Mühe geben, mich kurz zu fassen.« In dem Moment spürte Solveigh ein leichtes Kribbeln in der Manteltasche: Sie bekam einen Anruf, der warten musste.
Erst drei Stunden später fand Solveigh eine Gelegenheit, ihre Mailbox abzurufen. Sie hatte die ersten zwei Stunden zur Wirkweise von Strahlen auf den menschlichen Körper, ihr Verhalten in der Natur, sei es als Wolke, Niederschlag oder in Lebensmitteln, absolviert. Jetzt stand ein technisches Dekontaminationstraining auf dem Programm, inklusive Einweisung in die Schutzkleidung. Major Aydin hatte sich als guter Lehrmeister erwiesen, der sein Tempo ihrer schnellen Auffassungsgabe angepasst hatte. Sie liefen in Richtung eines Gerätehauses, als sich die erste Gelegenheit ergab, ihn um eine kleine Pause zu bitten. Als sie auf dem Display die Nummer sah, die sie angerufen hatte, zog sie eine Schachtel mit Zigaretten aus der Manteltasche, von denen sie sich maximal noch eine am Tag erlaubte. Jetzt war dieser Moment: Dr. Prins hatte angerufen. Sie wählte die Nummer zum Abhören der Mailbox, als sich Major Aydin, der weitergelaufen war, um sie nicht zu stören, noch einmal umdrehte: »Damit sollten Sie schleunigst aufhören, wenn Sie es mit Strahlung zu tun bekommen. Das Inhalieren in verseuchten Gebieten kann sehr schädlich sein.« Er lachte, hatte es wohl als Witz gemeint. Solveigh lachte nicht. Sie wandte sich ab und drückte sich mit dem Rücken gegen einen Spürpanzer, der verlassen vor der Halle geparkt war und sie vor seinem Witz und seinen neugierigen Blicken abschirmte. Während sie der ruhigen Stimme von Dr. Prins lauschte, rutschte sie an dem kalten Stahl hinunter, bis sie schließlich neben dem riesigen Reifen hockte. Eine einzelne Träne kämpfte sich durch ihre Fassade bis auf ihre Wange. Und ein einziger Satz aus dem Vortrag des Majors brannte vor ihrem inneren Auge: besondere Risikogruppen: Kinder und Schwangere. Es musste irgendwann um Silvester herum passiert sein. Sie war in der siebten Woche.
KAPITEL 38
Neckarwestheim, Deutschland
29.Januar 2013, 08.24 Uhr (zur selben Zeit)
Als Peter Bausch seinen Passat auf dem Parkplatz des Kernkraftwerks Neckarwestheim abschloss, blinzelte er in die Sonne. Es war warm für diese Jahreszeit, und wäre es nicht erst Ende Januar gewesen, hätte man annehmen können, der Frühling stünde vor der Tür. In der Schlange vor der Sicherheitsschleuse traf er einen Kollegen und begann gut gelaunt ein Schwätzchen. Sie unterhielten sich über die anstehende Dienstplanänderung der Tagschicht und die damit einhergehenden Probleme bei der Lohnabrechnung. Ein Thema, das die ansonsten fast ausschließlich mit Routineaufgaben betraute Verwaltung seit Wochen beschäftigte. Als sie ihre Jacken in einen Korb vor dem Röntgenscanner legten, fragte Peter ihn nach seinen zwei Kindern. Sie gingen oft mittags gemeinsam essen in der Kantine. Als Peter den Metalldetektor betrat, piepste es. Eine Zufallsauswahl, wie er vermutete. Während ein mürrischer Sicherheitsbeamter mit einem Handscanner nacharbeitete, lächelte er der Frau hinter dem Monitor des Röntgenapparates zu, sie sahen sich fast jeden zweiten Tag, je nachdem, wie sich ihre Schichten
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