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Biest: Thriller (German Edition)

Biest: Thriller (German Edition)

Titel: Biest: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenk Saborowski
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vielmehr mussten sie es nicht wissen, denn Computer wurden hier ständig neu gebootet, um etwa ein Software-Update aufzuspielen. Das Ereignis, das keines war, gehörte zur täglichen Routine, es wurde getan, was getan werden musste, um den Kraftwerksbetrieb aufrechtzuerhalten.
    Um 23.08 Uhr bemerkte der Ingenieur, der für die Überwachung der Kühlsysteme zuständig war, einen seltsamen Messwert an einem der Sensoren: Er zeigte einen plötzlichen Anstieg  der Reaktortemperatur. Bei Weitem nicht genug für einen Alarm, zumal es sein konnte, dass die Fühler defekt waren, schließlich meldete das Hauptsystem keinerlei Störung. Er führte eine Überprüfung des Primärsystems durch, die bestätigte, dass keinerlei Fehlfunktion vorlag. Dennoch informierte er seinen Vorgesetzten über den Vorfall, und der Schichtleiter entschied, einen Techniker zu entsenden, um dem Problem auf den Grund zu gehen. Es vergingen fünfzehn Minuten, bis die Meldung eintrudelte, dass nach erstem Augenschein auch bei dem vermeintlich defekten Sensor kein Fehler festzustellen war. In diesem Moment klingelte das Telefon des Ingenieurs:
    »Wieso haben Sie die Kühlpumpen heruntergefahren?«, fragte die ruhige Stimme eines Kollegen.
    »Habe ich nicht«, antwortete der Ingenieur, der langsam unter seiner weißen papierdünnen Haube zu schwitzen begann. »Laut meinen Anzeigen laufen die Pumpen im Normbereich.«
    »Ich stehe daneben, Ansgar, und ich sage dir, das tun sie nicht.«
    Der Ingenieur runzelte die Stirn und nahm die Checkliste für Störfälle zur Hand. Er wusste, dass sein Körper zu Unrecht vor Stress schwitzte. Jedes wichtige Sicherheitssystem in ihrem modernen Reaktor war mindestens doppelt redundant vorhanden. Kein Grund zur Panik. Aber irgendetwas stimmte nicht. Stimmte ganz und gar nicht. Er warf einen Blick auf die defekte Temperaturanzeige: 378°C, cirka 50°C höher als üblich. Aber bei Weitem noch nicht bedenklich. Auf seinem Computer rief er das Steuerprogramm für den Kühlkreislauf auf. Alles in Ordnung, die Pumpen arbeiteten wie vorgesehen.
    »Bist du dir sicher, dass sie nicht rund laufen? Hier ist alles normal. Ich meine, das ist doch gar nicht möglich, oder?«
    »Ich bitte dich, Ansgar! Ich warte die Pumpen seit fünfzehn Jahren, und ich sage dir, dass sie nie und nimmer in der Norm sind.«
    »Okay, ich prüfe das«, antwortete der Ingenieur und legte auf. Was sollte er tun? Wieder ein Blick auf die beiden unterschiedlichen Temperaturanzeigen, die maximal eine Abweichung von ein paar Grad hätten anzeigen dürfen. Und selbst das wäre höchst ungewöhnlich: jetzt 327°C zu 398°C. Wenn der Kollege recht hatte, dann hatten sie ein ernstes Problem. Aber wenn er empfahl, den Reaktor herunterzufahren, bedeutete das einen Verlust von etwa anderthalb Millionen Euro am Tag für den Betreiber. Seinen Arbeitgeber. Und ein AKW ließ sich nicht so einfach aus- und wieder anschalten, das hieß, es würde nach einem Störfall mindestens eine Woche keinen Strom produzieren. 424°C. Nur weil er einen defekten Temperaturfühler als möglichen Super-GAU interpretiert hatte? Und dem Gefühl eines Kollegen mehr glaubte als der millionenschweren Sicherheitstechnik. Scheiß drauf, so geht das nicht, dachte der Techniker und hob die Hand – das Zeichen für den Schichtleiter, zu ihm zu kommen.
    »Fahr ihn ab«, entschied dieser, nachdem er ihm das Problem geschildert hatte, und wählte die Handynummer des Betriebsleiters. Es war Standard, dass er über eine solche Unregelmäßigkeit informiert wurde, und er würde nicht erfreut sein. Der Ingenieur aktivierte die Notabschaltung, woraufhin die Regelstäbe zwischen die Brennelemente gefahren und dem Kühlwasser große Mengen Borsäure beigefügt wurden, beides Neutronengifte, die die Kettenreaktion unterbrechen würden. In dieser Sekunde brach in dem klinischen Leitstand die Hölle los. Wenige Millisekunden nach dem Notaus begannen etliche Warnsignale zu blinken, und dunkle und hohe Alarmsignale ertönten. Der Ingenieur wurde hektisch und griff nach dem Sicherheitsprotokoll. Der Druck im Reaktor war viel zu hoch. Und offenbar hatte die sekundäre Temperaturanzeige nicht gelogen, denn plötzlich zeigte auch das Hauptsystem einen viel zu hohen Wert von 482°C an. Was war hier los? Wie konnte das möglich sein? Von einer Sekunde auf die andere? Sein Telefon klingelte. Der Schichtleiter erteilte ruhig Anweisungen. Wie konnte er so ruhig bleiben? Er fragte nach den Meinungen der Kollegen,

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