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Big Bad City

Big Bad City

Titel: Big Bad City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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andere Welt. Musik drang aus geöffneten Fenstern, Stimmen aus dem Fernseher verschmolzen mit echten, Toilettenspülungen rauschten, Kochgerüche trieben über Zäune und Mauern. Hier hinten befand man sich in einer ureigenen Welt, die von der Straße aus nicht einsehbar war. Und sie war auf eine Art und Weise aufregend, die nichts mit Risiken zu tun hatte. Aufregend, weil sie einen intimen Einblick bot. Als würde man kurz das Höschen eines Mädchens sehen, wenn es die Beine übereinanderschlug.
    Im Sommer mied man Wohnungen, in denen ein Fenster offenstand. Das bedeutete normalerweise, daß jemand zu Hause war, der es auf ein wenig frische Luft abgesehen hatte. Eine Wohnung, in der sich jemand aufhielt, mied man wie der Teufel das Weihwasser, wenn man nicht gerade ein blutiger Amateur war, den es anmachte, alte Ladies im Bett zu erschrecken. Wohnungen mit Klimaanlagen waren problematisch, weil sämtliche Fenster geschlossen sein mußten und man einfach nicht sagen konnte, ob jemand zu Hause war oder nicht. Also hielt man Ausschau nach einer Wohnung mit geschlossenen Fenstern und einer Feuerleiter, die man benutzen konnte, und versuchte es einfach. Man ging rauf und lauschte am Fenster; normalerweise konnte man sagen, ob jemand zu Hause war oder nicht. Viele Fenster waren zwar geschlossen, aber nicht verriegelt; die Leute waren leichtsinnig, selbst in einer Stadt wie dieser. Wenn das Fenster verriegelt war, brach man es mit dem Eisen auf. Wenn das Schloß überstrichen war, benutzte man einen Glasschneider, wenngleich es in solchen Fällen normalerweise besser war, einfach weiterzuziehen und nach grüneren Auen zu suchen. Wenn man eine Glasscheibe fallenließ, war das Geräusch, mit dem sie zerbrach, die beste Alarmanlage auf der Welt. Wenn man das Fenster geöffnet hatte, atmete man tief durch und stieg ein.
    Die Wohnung, die er sich heute ausgesucht hatte, befand sich im dritten Stock eines dieser Häuser aus weißen Ziegelsteinen, die vor ein paar Jahrzehnten der letzte Schrei gewesen waren. Nachdem sie erst einmal mit dem ganzen Schmutz und Ruß der Großstadt bedeckt waren, sahen sie gar nicht mehr so toll aus, und wenn die Hausbesitzer dann herausfanden, daß es ein Vermögen kostete, sie zu säubern, überließen sie sie einfach dem Dschungel. Einige dieser Gebäude hatten noch Portiers, aber nicht dasjenige, das er sich heute ausgesucht hatte. Es war zwischen zwei Häusern aus rotem Backstein eingeklemmt. Er bevorzugte Gebäude, von denen aus man nach beiden Seiten ausweichen konnte, und mied Eckhäuser. Sollte es mal hart auf hart kommen, standen einem zumindest verschiedene Fluchtwege über die Höfe offen.
    An diesem Nachmittag war es auf dem Hinterhof ungewöhnlich ruhig.
    Weil es so ruhig war, dachte er zuerst, irgend etwas wäre nicht in Ordnung. Genau wie es in einem Wald plötzlich ganz still wurde, wenn sich ein Raubtier anschlich. Er stand in dem Durchgang, der von der Treppe zum Hof führte. Obwohl die Müllabfuhr erst morgen früh kommen würde, hatte man schon jetzt, um halb vier, die Mülltonnen herausgestellt. Sie standen aufgereiht an den Wänden des Durchgangs, und in der windstillen Luft strömte der schwache Geruch von Fäulnis von ihnen aus. Er wartete. Falls sich der Hausmeister oder sonstwer auf dem Hinterhof rumtrieb, würde er seine Bauamt-Inspektor-Sprüche ablassen und wieder verschwinden. Normalerweise ging er bei so einem Gebäude über die Feuerleiter rein und nahm den Fahrstuhl, falls es einen gab, um das Haus wieder zu verlassen. Sonst ging er einfach das Treppenhaus hinab und durch den Flur hinaus. Wenn er reinging, hatte er nie mehr als einen kleinen Koffer dabei, in dem sich sein Werkzeug und die Schachtel mit den Schokokeksen befanden, die er am Morgen gebacken hatte. Den Koffer hielt er jetzt in der rechten Hand.
    Er wartete noch immer.
    Es war sehr heiß hier in dem Gang. Er ging zu dessen Ende weiter, von wo aus er den Hinterhof besser einsehen konnte. Weiße Laken hingen schlaff an Wäscheleinen; der Nachmittag war völlig windstill. Irgendwo spielte ein Radio. Er liebte die Intimität hier hinten.
    Na schön, dachte er, gehen wir kühn dorthin, wo noch kein Einbrecher gewesen ist, und trat in den strahlenden Sonnenschein. Der Hof war leer. Das Radio spielte eine Oper, er wußte nicht, welche. Er ging zügig zu der Feuerleiter, die er ausfindig gemacht hatte, als er das Terrain beim letzten Mal sondiert hatte, sprang zu dem in der Luft hängenden Endstück hinauf, zog

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